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Glyphosat: “Wir haben verstanden”

Seit der Chemiekonzern Bayer vor drei Jahren erstmals Interesse am US-Gensaat-Hersteller Monsanto bekundete, warnten Branchenkenner vor möglichen Imageproblemen. Unbeirrt zog der Leverkusener Konzern den 54 Milliarden Euro teuren Deal durch, um jetzt – ein Jahr nach erfolgter Übernahme – öffentlich Buße zu tun. 

“Wir haben zugehört. Und verstanden”, ruft der Konzern seinen Kritikern in ganzseitigen Zeitungsanzeigen zu. Die Reue geht zwar nicht so weit, die Übernahme rückgängig zu machen, die den Kurs der Bayer-Aktie in nur zwölf Monaten halbierte. Auch ein Ausstieg aus der bei Umweltschützern umstrittenen Zucht von genmodifiziertem Getreide scheint nicht geplant zu sein. Und keinesfalls denkt der Konzern daran, das unter Krebsverdacht stehende Monsanto-Herbizid vom Markt zu nehmen: “Glyphosat wird weiterhin eine wichtige Rolle in der Landwirtschaft und in unserer Produktpalette spielen”. 

Mit den Kritikern an einen Tisch

Dafür will das Unternehmen aber einen “Nachhaltigkeitsrat” gründen, und seine Kritiker zum Gespräch einladen. Bei Greenpeace allerdings liegt, so Agrar-Experte Dirk Zimmermann, noch keine Einladung vor. Auch die Landwirtschaftsexpertin des Bundes für Umwelt- und Naturschutz (BUND), Silvia Bender, hat noch keine Post bekommen. Die Kandidaten für den Nachhaltigkeitsrat stünden noch nicht fest, heißt es auf Nachfrage bei Bayer. Die Zusammensetzung des Gremiums werde später bekanntgegeben. 

Ein bisschen Zeit ist ja noch. Denn das Thema, für das Bayer in dem Dialog werben will, ist die EU-Zulassung von Glyphosat, die 2023 ausläuft und – so die Hoffnung des Konzerns – erneuert werden soll. Erschwert werden die Verhandlungen allerdings durch die Tatsache, dass Bayer gerade wieder einen Prozess gegen einen Krebspatienten verloren hat, der sein Leiden auf die Nutzung des Unkrautvernichtungsmittels zurückführt. Es war die dritte Prozessniederlage dieser Art. Weitere 13.400 Klagen von Patienten sind anhängig. 

Dazu kommt, dass Bundesregierung sich in ihrer Koalitionsvereinbarung vorgenommen hat, in Deutschland den Einsatz von Glyphosat “deutlich einzuschränken mit dem Ziel, die Anwendung so schnell wie möglich grundsätzlich zu beenden”. BUND-Agrarexperten Silvia Bender sieht daher gar keinen Anlass, mit Bayer in einem “Nachhaltigkeitsrat” zu diskutieren: “Wir brauchen keinen Dialog darüber, wie nachhaltige Landwirtschaft aussehen könnte. Die Konzepte liegen auf dem Tisch. Die Politik muss nur den Rahmen vorgeben.” 

Fünf Milliarden Euro für die Suche nach neuen Methoden – aber nicht zusätzlich

Und freut es die Kritiker wenigstens, dass Bayer versprochen hat, in den kommenden zehn Jahren fünf Milliarden Euro in die Erforschung anderer Methoden der Unkrautvernichtung zu investieren? Dirk Zimmermann von Greenpeace lässt das ziemlich ungerührt: Angesichts der der Resistenzen, die immer mehr Unkräuter gegen das Monsanto-Herbzid entwickelten, sei dieser Vorsatz weniger “Gutmenschentum” als schlichte geschäftliche Notwendigkeit: “Die brauchen dringend neue Produkte.” Allerdings wundert er sich, warum Bayer dies als neue Anstrengung verkauft. Schließlich sei die gesamte Branche seit Jahren auf der Suche nach Alternativen zu dem Herbizid, das überdies längst den Patentschutz verloren hat. 

Eine Nachfrage bei Bayer relativiert denn auch die Aussage aus der Anzeige: “Es ist nicht so, dass wir jetzt erst anfangen zu suchen”, sagt Bayer-Sprecher Rolf Ackermann. Und bei den fünf Millionen Euro handele es sich auch nicht um zusätzliche Investitionen, sondern um eine “Umschichtung” des bestehenden Budgets, wie er zugibt. Von den 25 Milliarden Euro Investitionen, die die Agrar-Sparte in kommenden zehn Jahre sowieso geplant habe, widme man nun ein Fünftel der Suche nach neuen Unkrautvernichtern. “Wir legen uns auf eine Zahl fest, das ist einzigartig” , sagt er. 

Sollte der Konzern gehofft haben, mit seiner Botschaft, die außer in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung und dem Handelsblatt unter anderem auch im Wall Street Journal annonciert wurde, die internationalen Anlegerschaft zu versöhnen, dann könnte das zu einer Enttäuschung werden. Die Bayer-Aktie machte am Freitag nach Börsenbeginn einen kleinen Sprung und fiel dann wieder – sogar unter das Niveau des Vortages.

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