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Jim Jarmusch: “Ich bin nicht so der Splatter-Typ”

Nach seinem Vampirfilm “Only Lovers Left Alive” hat der Filmemacher Jim Jarmusch jetzt einen Film über Zombies gedreht: “The Dead Don’t Die”. Die Horrorkomödie spielt in dem beschaulichen Städtchen Centerville. Nach den ersten Überfällen auf Menschen machen die drei örtlichen Cops – sehr sehenswert: Bill Murray, Adam Driver und Chloë Sevigny – Jagd auf die Untoten. Der Film eröffnete das diesjährige Festival von Cannes. Zwei Tage nach der Weltpremiere sitzt der Filmemacher in einem abgeschirmten Hotelgarten nahe der Croisette und ist in Plauderstimmung.

ZEIT ONLINE: Mister Jarmusch, mögen Sie Zombies?

Jim Jarmusch: Zombies gehören nicht zu meinen Lieblingshorrorwesen. Ich finde sie nicht wirklich attraktiv. Aber natürlich kenne ich ihre Geschichte. Ursprünglich kamen sie aus dem haitianischen Voodoo und so sind sie auch in frühen Filmen wie White Zombie mit Bela Lugosi dargestellt. Demnach sind sie zum Leben wiedererweckte Untote, die jemand kontrolliert. Der Zombie dient dazu, loszuziehen und einen Befehl auszuführen. Wenn man ihm beispielsweise sagt: “Geh und töte Donald Trump!”, dann trottet so ein Zombie los und tötet Donald Trump. Diese Zombies sind wie leere Gefäße: einfach nur langweilig.

ZEIT ONLINE: Dennoch haben Sie einen Zombiefilm gedreht.

Jarmusch: Der Filmemacher George Romero veränderte Ende der Sechzigerjahre mit Night of the Living Dead, was Zombies darstellen. Seine Zombies werden nicht kontrolliert. Sie driften hinüber zu einer eigenen Identität. Sie kommen nicht wie Godzilla oder Frankenstein von außen, sie kommen aus dem Inneren einer sozialen Ordnung. Sie sind wir: nicht mehr nur das Problem, sondern auch Opfer. Weil wir Menschen irgendeinen Mist gebaut haben. In The Night of the Living Dead kam das Übel mit einer Raumsonde aus dem All. Unser Film ist ganz sicher ein Nachkomme von Romero.

ZEIT ONLINE: Sie erweisen ihm jede Menge Referenzen in Ihrem Film. Auch bei Ihnen haben die Menschen Mist gebaut; die Zombies stecken auf der Suche nach Menschenfleisch ihre Hände durch verbretterte Türen; sie umzingeln ihre Opfer und suchen Orte auf, die ihnen zu Lebzeiten wichtig waren.

Jarmusch: Romero ist der postmoderne Zombiemeister! Von ihm stammt die Idee, dass die Zombies rudimentäre Erinnerungen haben. Sie tun also, was sie schon als Lebende gerne getan haben. In Dawn of the Dead gehen die Zombies in ein Einkaufszentrum, weil das alles ist, woran sie sich erinnern. Diese Idee fand ich brillant und habe sie in unseren Film eingebaut. Vielleicht langweilt das manche Kritiker? Ach, zur Hölle mit denen!

ZEIT ONLINE: Ihre Zombies haben auch ein paar neue Features.

Jarmusch: Sie sind die ersten, soweit ich weiß, die nur aus Staub bestehen. Wir Lebenden sind zu 75 Prozent oder mehr aus Wasser, aber wenn man tot ist, trocknet man aus. Als ich das Drehbuch geschrieben habe, bin ich einmal spazieren gegangen. Dabei dachte ich also darüber nach und mir wurde klar, dass ich, während ich hier so laufe, halb Wasserball und halb Würstchen bin. Eine merkwürdige Vorstellung: ein wandelndes wässriges Würstchen. Da wusste ich: Meine Zombies mussten Staub sein.

ZEIT ONLINE: Wenn denen irgendwann beispielsweise der Kopf abgeschlagen wird, staubt es deswegen lediglich ein bisschen. 

Jarmusch: Stellen Sie sich nur mal die Schlussszene von The Dead Don’t Die vor, hätten die Zombies alle Blut in sich gehabt! Das hätte ich mir selbst nicht anschauen können. Ich hätte es nicht mal drehen können. Ich bin nicht so der Splatter-Typ. Lediglich während ihres ersten Angriffs zeige ich meine Zombies archetypisch in Aktion. Ziemlich blutig das Ganze. Ich wollte das dann nicht dauernd wiederholen. Später sieht man nur noch hier und da ein wenig Blut.

ZEIT ONLINE: Üblicherweise sprechen Zombies auch nicht. Bei Ihnen schon.

Jarmusch: Sie sagen aber immer nur ein Wort: “Chardonnay!” oder “Süßigkeiten!” oder “Xanax!” oder “WLAN!” Sie sprechen ihre Obsession aus.

ZEIT ONLINE: Wenn Ihre Zombies auf der Suche nach WLAN und Xanax herumirren, wirken sie genau wie wir. Sind wir süchtig wie diese Zombies?

Jarmusch: Unsere Funktion besteht darin, zu konsumieren. Die Anführer der Großkonzerne, die heute die Weltwirtschaft beherrschen, wollen es so.

ZEIT ONLINE: Manche Zombies mögen aber auch einfach nur Kaffee.

Jarmusch: Nun, sie sehnen sich nach Muntermachern. Ich hatte mir auch selbst die Frage gestellt, wonach ich wohl als Zombie gieren würde. Zunächst dachte ich: vermutlich nach einem Laden mit Musikinstrumenten. Aber dann dachte ich: doch wohl eher nach einem Buchladen. Ich würde also als Zombie rumschlurfen und “Rimbault” vor mich hin brabbeln.

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