/Wirtschaftspolitik: Für eine neue Kultur des Sparens

Wirtschaftspolitik: Für eine neue Kultur des Sparens

Der Politiker Friedrich Merz ist Vizepräsident des Wirtschaftsrates der CDU und war früher Vorsitzender der Unionsfraktion im Bundestag. Er ist Vorsitzender des Aufsichtsrats der Fondsgesellschaft BlackRock und kandidierte Ende vergangenen Jahres um den CDU-Parteivorsitz.

Deutschland geht es gut. Wir leben in einem
der schönsten und wohlhabendsten Länder der Welt. Wenn es anders wäre, wie von
einigen behauptet, dann gingen die Flüchtlingsströme wohl in die andere
Richtung. Trotzdem breitet sich Unzufriedenheit aus mit dem politischen System
und, mehr noch, mit unserem Wirtschaftssystem.

Im Westen des Landes trauen immerhin noch
gut 70 Prozent der Bevölkerung unserer
Demokratie und unserer Wirtschaftsordnung zu, die Probleme der Gegenwart zu lösen.
Kein überragender Befund, doch im Osten sind es weniger als 50 Prozent der
Bevölkerung, die dieses Vertrauen in unsere staatliche Ordnung noch teilen. Dort, aber bei Weitem nicht nur dort, fällt Kritik am Kapitalismus auf
fruchtbaren Boden.

Hinter der Forderung nach “mehr Gerechtigkeit” kann sich
eine große Mehrheit der Bevölkerung schnell versammeln, vor allem in einer Zeit, in der trotz beständig
weiter steigender Ausgaben für den Sozialstaat fast täglich neue Gerechtigkeitslücken entdeckt werden. Kaum eine politische Partei kann es sich
daher leisten, auf die Ankündigung zu verzichten, man wolle nun endlich für
mehr Gerechtigkeit, vor allem für mehr “soziale Gerechtigkeit” sorgen. Sozial
ist gut, Kapitalismus ist schlecht – auf diesen gemeinsamen Nenner dürfte sich
eine übergroße Mehrheit der deutschen Wahlbevölkerung unabhängig von allen
parteipolitischen Präferenzen schnell einigen können. 

Sozialer Überbietungswettbewerb

Die Agenda 2010 der rot-grünen Bundesregierung
war der Versuch, die deutsche Volkswirtschaft in einem schärfer werdenden
globalen Wettbewerb zukunftsfähig und zugleich die Sozialversicherungen
demografiefest zu machen. Von diesem Anspruch ist in den letzten Jahren immer
weniger übrig geblieben. Stattdessen befinden sich Union und SPD in einem
sozialen Überbietungswettbewerb, der durch Populisten am linken und rechten
Rand noch zusätzlich befeuert wird. Das Missverhältnis zwischen
Sozialleistungen und Zukunftsinvestitionen wird immer größer: gerade einmal
drei Milliarden Euro für die Forschung zur künstlichen Intelligenz bis zum Jahr
2025
und jährlich fast 100 Milliarden Euro Bundeszuschuss in die gesetzliche
Rentenversicherung – viel krasser kann eine Regierung ihre Prioritäten kaum
noch zum Ausdruck bringen.

Doch über diese Imbalance wird wenig diskutiert. Warum gibt es nicht wenigstens bei den Jüngeren viel
mehr Kritik daran, wie mit ihrer Zukunft umgegangen wird? Womöglich richten wir uns zu sehr in der Gegenwart ein.
Fehlt uns gar das notwendige Grundverständnis für die Zusammenhänge zwischen
den Investitionen von heute und dem Wohlstand von morgen?

Wir sind uns in unserer Gesellschaft weitgehend
einig, dass die Umweltpolitik vom Vorsorgeprinzip und vom Grundsatz
der Nachhaltigkeit geleitet sein muss. Diese Leitplanken müssen aber genauso für die
Wirtschafts- und Sozialpolitik gelten. Auf Dauer unbezahlbare soziale
Leistungsversprechen und eine Übertragung der Lasten auf jüngere Generationen
verstoßen gleich mehrfach gegen Vorsorgeprinzip und Nachhaltigkeit. Nach wie
vor hat Deutschland eine starke Volkswirtschaft, aber wir konsumieren zu viel,
und wir investieren zu wenig. Dies gilt für die privaten wie für die
öffentlichen Haushalte gleichermaßen. Die Aufgabe der Politik besteht heute
mehr denn je darin, rechtzeitig Gefährdungen der Substanz unseres Landes zu erkennen,
sie glaubwürdig darzulegen und sie vor allem zu vermeiden.

Die marktwirtschaftliche Ordnung kann dazu den
entscheidenden Beitrag leisten. Marktwirtschaft heißt vor allem
Kapitaleinsatz: kapitalstarke
Unternehmen, Kapitalbildung in Arbeitnehmerhand, Kapitalfundierung von Teilen
der Sozialversicherungen, Kapitalerträge etwa für die Bildungseinrichtungen. All dies macht den Kapitalismus im bestverstandenen Sinn des Wortes zusammen
mit der sozialen Verantwortung aller Akteure zum Wesenskern der sozialen
Marktwirtschaft. Die Deutschen müssen wieder neu lernen, diesen Teil der
Marktwirtschaft zu verstehen, damit sie gerettet werden kann. Und retten müssen
wir sie, denn ohne Kapitaleinsatz und ohne Kapitalrentabilität gibt es keinen
Sozialstaat und ohne Sozialstaat gibt es keine soziale Gerechtigkeit.

Wenn die Zustimmung zu Demokratie und
Marktwirtschaft wieder steigen soll, dann müssen aber nicht nur Zusammenhänge
(besser) erklärt werden. Dann müssen auch konkrete Entscheidungen getroffen
werden, die mehr Menschen das berechtigte Gefühl verleihen, sie hätten Anteil
am Erfolg unserer Wirtschaftsordnung. Ein wesentlicher Baustein dazu muss nach
meiner festen Überzeugung darin bestehen, die Arbeitnehmer mehr am
wirtschaftlichen Erfolg der Unternehmen zu beteiligen, in denen sie arbeiten,
aber auch Beteiligungen an anderen Unternehmen zu ermöglichen.

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