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Warenvernichtung: Das Problem mit dem Wegwerfen

Die Grünen wollen Onlinehändlern wie Amazon verbieten, überschüssige Ware zu vernichten. Doch wie groß ist das Problem überhaupt? Die wichtigsten Fragen und Antworten.

11. Juni 2019, 18:19 Uhr

Warenvernichtung: Ein Warenlager von Amazon im brandenburgischen Brieselang

Ein Warenlager von Amazon im brandenburgischen Brieselang
© Sean Gallup/Getty Images

Die Kritik am sinnlosen Wegwerfen nimmt zu. Nach Ansicht der Grünen werden im Onlinehandel zu viele Produkte, die eigentlich noch gut verwendbar sind, weggeschmissen. Das ist nicht nur eine Vergeudung von Ressourcen, sondern belastet durch überflüssige Transporte auch das Klima. “Wir erleben eine Perversion der Wegwerfgesellschaft”, sagte Fraktionschefin Katrin Göring-Eckardt am Wochenende.

Was hat Göring-Eckardt vorgeschlagen?

Katrin Göring-Eckardt wünscht sich einen Drei-Punkte-Plan: Dem Onlinehandel solle verboten werden, neuwertige Produkte zu vernichten. Was nicht mehr verkauft werden könne, solle verschenkt werden – etwa über Sozialkaufhäuser. Und wo auch das nicht möglich ist, sollten die Produkte zumindest recycelt werden. Göring-Eckardt regt außerdem an, die Mehrwertsteuer für gespendete Produkte zu erlassen. Diese muss derzeit nämlich gezahlt werden, was für Unternehmen das Verschenken im Vergleich zum Vernichten unattraktiv macht.

Mit ihrer Forderung steht Göring-Eckardt nicht allein. Auch die Umweltorganisation Greenpeace forderte unlängst ein “gesetzliches Verschwendungs- und Vernichtungsverbot für neuwertige und gebrauchsfähige Waren”.

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Wie viel Ware wird vernichtet?

Der Wirtschaftswissenschaftler Björn Asdecker von der Universität Bamberg hat die Retouren- und Wegwerfproblematik im Onlinehandel untersucht. Er sagt, circa dreieinhalb bis vier Prozent würden von denjenigen Artikeln weggeworfen, die Kunden zurücksenden. “Es werden aber vor allem Artikel mit einem niedrigen Warenwert vernichtet, also Artikel, die sich kaum verwerten lassen”, sagt Asdecker. Ansonsten kauften vor allem Verwerter und Restpostenhändler solche Bestände containerweise auf und verkauften diese wieder im Ausland. Es gebe eine wachsende Branche, die inzwischen auf dieses Geschäft spezialisiert sei.

Die Textilbranche weist im Onlinehandel bisher die höchsten Retourenquoten auf, weil die Kunden die bestellten Schuhe oder Hosen zu Hause anprobieren müssen. Auch bei Zalando, Europas größten Modehändler im Internet, wird etwa die Hälfte der Ware zurückgeschickt. Doch nur etwa drei Prozent könne das Unternehmen nicht wieder im Shop verkaufen, sagt eine Sprecherin. Diese Ware werde bei Rabattaktionen oder in den Outletshops vertrieben. “Zalando vernichtet Waren nur in Ausnahmefällen”, sagt die Sprecherin, “zum Beispiel, wenn dies aus gesundheitlichen Gründen notwendig ist, etwa bei Schädlingsbefall oder Schadstoffbelastung”. Dies betreffe aber nur etwa 0,05 Prozent aller Artikel.

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Warum wird überhaupt vernichtet?

Ein größeres Problem als die Retouren sind Waren, die keiner kaufen will. Kleinere Händler lagern Produkte bei den großen Anbietern wie Amazon ein und bezahlen für jeden Tag Geld, erklärt der Wirtschaftswissenschaftler Asdecker. “Wenn sie feststellen, dass ein Artikel sich zu wenig verkauft, dann ist die günstigste Variante, die Ware zu vernichten.” Diese Anbieter seien zu klein, um ihre überschüssige Ware an einen Verwerter zu verkaufen. Die nehmen nur große Bestände ab. “Mein Eindruck ist, dass vor allem billige Elektronik aus China ein Problem ist”, sagt Asdecker. 

Laut eines Berichts des ZDF-Magazins Frontal 21 hat eine Amazon-Mitarbeiterin jeden Tag Waren im Wert von mehreren Zehntausend Euro vernichtet. Mehrere Beschäftigte kritisieren übereinstimmend, Amazon würde nicht nur unbrauchbare Produkte entsorgen, sondern auch funktionstüchtige, teilweise sogar neue Produkte zerstören.

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Spenden die Unternehmen schon heute?

Ja, bislang werden circa 0,9 Prozent der zurückgeschickten Waren von den Unternehmen gespendet. Das geht aus einer Studie Björn Asdeckers hervor. Amazon beispielsweise kooperiert mit der Plattform innatura, die Sachspenden an soziale Organisationen weiterreicht. Davon profitierten seit 2013 laut Amazon 45.000 Bedürftige. Manchmal sprechen aber Sicherheits- oder Hygienegründe dagegen, Produkte zu spenden. Der Modehändler Zalando gibt an, “Restbestände an Organisationen wie beispielsweise humedica zu spenden”.

Das Spenden ist gar nicht so einfach, sagt Asdecker, weil viele Händler nicht bereit sind, dann noch die Mehrwertsteuer für diese Waren zu bezahlen. Da setzt der Vorschlag der Grünen an, für solche Spenden die Mehrwertsteuer zu erlassen. Aber auch das könnte Probleme mit sich führen, weil manche soziale Unternehmen in Deutschland gespendete Ware im Ausland wieder verkaufen.

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Würde ein Verbot wirken?

Eine hundertprozentige Garantie gibt es dafür nicht. Sicher würde der Druck auf Unternehmen steigen, einen noch höheren Anteil ihrer Produkte weiterzuverwenden. Doch global agierende Konzerne könnten die Entsorgung bei einem Verbot in Deutschland auch ins Ausland verlagern. Oder sie würden dem Kunden die Ware schenken, weil das für sie weniger aufwendig wäre, als sie zurückzunehmen und sich um die Weiterverwendung zu kümmern. Im Zweifelsfall würde der Kunde oder die Kundin dann die Dinge wegschmeißen, die er oder sie nicht brauchen kann. Der Umwelt wäre damit nicht geholfen.

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Welche Alternativen gibt es zu einem Verbot?

Neben einem Erlass der Mehrwertsteuer für gespendete Produkte könnte die Regierung auch das Widerrufsrecht ändern. Wenn Kunden und Kundinnen wenigstens zum Teil für die Kosten der Rücksendungen aufkommen müssten, würden sie eventuell nicht ganz so wahllos bestellen.

Kritik an einem Verbot kamen von Union und FDP. Unionsfraktionsvize Georg Nüßlein (CDU) schlägt stattdessen einen Garantiewettbewerb vor. Wenn bei allen neuen Produkten ein Garantiezeitraum angegeben werden müsse, würden sich Kunden für höherwertige Dinge entscheiden, so seine Hoffnung. Die zurückgesandten Produkte könnten dann eher weiterverkauft werden. FDP-Fraktionsvize Michael Theurer will Unternehmen mit Selbstverpflichtungen dazu bringen, die Vernichtungsquote zu senken. Kunden wiederum müssten ihr Kaufverhalten stärker hinterfragen.

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Was sagt die Bundesregierung dazu?

Das SPD-geführte Bundesumweltministerium ist an dem Thema schon dran. Derzeit werde ein gesetzlicher Rahmen vorbereitet, der die Vernichtung von Neuware reglementieren solle, teilte das Ministerium am Dienstag mit. Geplant sei eine “Obhutspflicht” im Kreislaufwirtschaftsgesetz zu verankern. “Ziel ist es, zukünftig rechtlich gegen die unmittelbare Vernichtung von Retouren oder sonstiger Neuwaren vorgehen zu können”, sagte ein Sprecher. Der Gesetzentwurf werde “zeitnah veröffentlicht”. 

In der kommenden Woche wird sich zudem eine gemeinsame Konferenz von Bundesumwelt- und Bundesverbraucherschutzministerium mit den Erfordernisse für eine effiziente Regulierung und Überwachung in den Bereichen Elektrogeräte, Verpackungen und Chemikalien befassen.  Dort sollen Vertreter und Vertreterinnen des Onlinehandels zur Vernichtung von zurückgesandten Gegenständen Stellung nehmen.

Im ebenfalls von der SPD geführten Finanzministerium wird zudem bereits darüber nachgedacht, Spenden von der Umsatzsteuer zu befreien, um so die Spendenbereitschaft von Unternehmen zu steigern. Aber wird da auch die Union mitziehen? Das Bundeswirtschaftsministerium, dem mit Peter Altmaier ein CDU-Mann vorsteht, hält sich vorerst bedeckt. “Wir kommentieren den Vorschlag nicht”, heißt es dort.

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