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Kalifornien: Paradies im Wiederaufbau

Der Feueropal ist ein Edelstein, der aussieht wie ein Stück Glut. Inder
und Perser waren einst so beeindruckt von seiner leuchtenden Schönheit, dass sie glaubten, er
müsse direkt aus dem Paradies kommen.

Feueropale also, ausgerechnet. Cliff Jacobson kniete in den Überresten seines Hauses in den Bergen von Kalifornien. Eingepackt in einen weißen Chemieschutzanzug, über dem mächtigen grauen Bart klemmte eine Atemmaske. Es nieselte. Gott sei Dank. Der Regen drückte den giftigen Staub zu Boden. Eigentlich hatte Jacobson, das erzählt er später, an diesem Tag im Dezember 2018 nur im Staub gewühlt, um seiner Frau zu beweisen, dass das Hoffen vergeblich war. Dass das Feuer nichts verschont hatte. Dann fand er die vier Feueropale. Sie lagen in einer kleinen verkohlten Schmuckdose aus Metall. Die vier Edelsteine hatten einmal auf dem Lieblingsring seiner Frau gesessen. Die 18-Karat-Goldfassung war durch die Hitze zu einem Klumpen zusammengeschmolzen.

Vier Feueropale und ein Goldklumpen. Das war also übrig geblieben von ihrem Besitz. Wäre Cliff Jacobson nicht der Realist, der er ist, hätte er darin ein Zeichen sehen können. Gold und Feuer, der Anfang und das Ende von Paradise.

Es waren Goldsucher, die diesen kleinen Ort in den Bergen der Sierra Nevada vor 160 Jahren gründeten. Es war das Feuer, das im November 2018 alles niederbrannte, 17 Tage lang tobten die Flammen des größten und verheerendsten Waldbrands in der Geschichte Kaliforniens.

Eigentlich hätte Jacobson gar nicht in den Trümmern wühlen dürfen, selbst im Schutzanzug nicht. Die Erde war giftig: Der verbrannte Asbest, das geschmolzene Plastik, das Benzin aus den Autotanks, die ausgelaufenen Batterien, die Farbe – das ganze Zeug aus ihrem Haus steckte da nun drin. Die Bundesagentur für Katastrophenschutz hatte den Bewohnern von Paradise daher davon abgeraten, den Schutt zu durchsuchen. Andererseits: Hätte Cliff Jacobson in seinem Leben immer nur gemacht, wozu ihm die jeweiligen Experten geraten hatten, dann hätte er dieses Stück Land zuvor nicht mit seinen eigenen Händen in jene Idylle verwandelt, in der er so gern lebte. In seinen kleinen Teil vom Paradies.

Ein gutes halbes Jahr ist seit dem Brand vergangen. 86 Menschen starben. Die 84-jährige Rafaela Andrade, die gern mexikanische Volksmusik sang und es nicht rechtzeitig aus ihrem Haus schaffte. Der 65-jährige Vinnie Carota, der nur noch ein Bein hatte und nach Paradise gezogen war, weil er hier von seiner Behindertenrente leben konnte. Der 36-jährige Andrew Burt, der versuchte, seinen pflegebedürftigen Stiefvater zu retten – sie starben zusammen in den Flammen.

Das Feuer zerstörte 62.000 Hektar Wald, eine Fläche, die doppelt so groß ist wie München. In Paradise verbrannten acht der neun Schulen, zwölf Kirchen, ein McDonald’s, ein Kentucky Fried Chicken, ein Safeway-Supermarkt, der Black Bear Diner, das Feather River Hospital, das Gold Nugget Museum. Insgesamt 18.804 Gebäude. 95 Prozent von Paradise. Der Gesamtschaden beträgt mehr als 19 Milliarden Dollar, es war die weltweit teuerste Umweltkatastrophe des Jahres 2018. Kann man das wiederaufbauen? Soll man das wiederaufbauen?

Paradise liegt zwischen zwei beeindruckenden Canyons auf einem 500 Meter hohen Plateau am Fuße der Sierra Nevada. Unten im Tal fließt auf der einen Seite der Feather River, ein Laichgrund für Lachse, auf der anderen Seite der Butte Creek. Vom dichten Pinienwald, der den Ort umgab, sind nur verkohlte Baumstämme geblieben. Zwischen den toten Stümpfen sprießt trotzig das Gras.

26.700 Menschen lebten vor dem Feuer in Paradise. Nur 1500 sind bis jetzt zurückgekehrt. Sie müssen nun entscheiden, wie ihr neues Paradise aussehen soll. Das wirft Probleme auf. Denn schon in den ersten Monaten nach dem Feuer hat sich offenbart, dass ein Riss durch die Gemeinde geht.

Für die einen Bewohner ist Paradise das Symbol für einen ländlichen, freien Lebensstil. Für einen Ort, an dem einen der Staat in Ruhe lässt. Diesen Ort wollen sie genau so wiederaufbauen.

Für die anderen ist die Zerstörung der Beweis, dass das Paradies der Zukunft anders aussehen muss als das der Vergangenheit. Dass man sich an gewisse Regeln halten muss, wenn man überleben will, zum Beispiel an Umweltauflagen.

Freiheit gegen Regeln – der Kampf um Paradise ist der Kampf um die Seele Amerikas.

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