/Prominente Autoren: Ich trage einen großen Namen, ich muss schreiben

Prominente Autoren: Ich trage einen großen Namen, ich muss schreiben

Eine der
aufregendsten Sichtungen auf der Leipziger Buchmesse in diesem Jahr war keine
Nobelpreisträgerin und kein Großerzähler aus den USA, sondern der Musiker Bela
B Felsenheimer, der bekannt ist als Mitglied der Band Die Ärzte und nun auch
als Romanautor. Der Erlebniswert, einen Rockstar samt Bodyguard über das
Messegelände schlendern zu sehen, birgt ungleich mehr Glamour als der Anblick
eines hohlwangigen Autors mit schlecht sitzendem Jackett. Im Angesicht dieser
gesunden Popularität erscheint die Frage, ob Felsenheimers Debüt Scharnow denn literarisch etwas taugt,
irgendwie blutleer und pedantisch.

Ein
großer, weil bekannter Name ist in Zeiten erbitterter Medienkonkurrenz wie eine
hell strahlende Lampe. Und Stars lassen ihr helles, warmes Licht gern auf den
bibbernden Literaturbetrieb scheinen. Zu beobachten ist ein großes
Tauschgeschäft zwischen dem Literaturbetrieb und der Celebrity Culture. Eine
von der Medienkonkurrenz gebeutelte Branche darf an der Aufmerksamkeit der
großen Namen partizipieren, während die großen Namen mit dem nach wie vor
großen kulturellen Kapital des Literarischen ausgestattet werden. Das zeigt
sich etwa am Namen, unter dem der Roman Scharnow
veröffentlicht wurde. “Bela B Felsenheimer” aktiviert mit dem Vor- und
Spitznamen die Popularität der Band Die Ärzte und überträgt diese Popularität
durch den Nachnamen in die bürgerliche Welt der Romanciers.

Das
Prinzip “Erst singen, dann Prosa schreiben” funktioniert bei Weitem nicht nur
bei Felsenheimer: Zuletzt wurde etwa das Buch Aus dem Dachsbau des Sängers der Band Tocotronic, Dirk von Lowtzow,
viel besprochen. Der nostalgische St.-Pauli-Roman Große Freiheit des Musikers und Entertainers Rocko Schamoni wurde
von hanserblau mit der Nachricht in die Welt geschickt, die Startauflage
betrage ehrfurchtgebietende 50.000 Exemplare. Und selbst dort, wo ein Buch
durchfällt, wie etwa im Fall des Romans Otis
von Jochen Distelmeyer, kann der Verlag davon ausgehen, dass es zahlreiche
Rezensionen geben wird
, und mit der Aufmerksamkeit – so zumindest die Hoffnung
– auch finanziellen Erfolg.

Es ist
deshalb keine Überraschung, dass sich zu den schreibenden Musikern inzwischen
auch die Schauspieler gesellt haben. Gleich mehrere Fernsehkommissare, Axel Milberg, Matthias Brandt und Ulrich Tukur, sind in den aktuellen Programmen der
Verlage mit Romanen groß vertreten, was Jan Wiele in der FAZ schon zu einer Wutrede an die Adresse der “Programmmacher” bei
den Verlagen veranlasste, in der er angesichts zahlreicher nun auch noch
romanschreibender Fernsehstars die Frage stellte: “Habt ihr nichts Besseres?” Wieles
schlecht gelaunter Verdacht lautete, das einzige noch erkennbare
Verlagsprogramm folge dem Motto: “Der Teufel scheißt immer auf den größten
Haufen.” 

Der
Literaturwissenschaftler Clayton Childress spricht schon 2017 in seiner
viel beachteten soziologischen Studie Under
The Cover
von einer Name Economy,
von einer Ökonomie des Namens, die inzwischen auch den Literaturbetrieb
bestimmt. Autoren, die an der Spitze dieser Ökonomie stehen, wie Stephen King,
James Patterson oder J.K. Rowling, garantieren unmittelbar hohe Verkäufe. Ihr
Name erzeugt und multipliziert Aufmerksamkeit. Die Ökonomie des Namens
erscheint für die Verlage deshalb so verführerisch, schreibt Childress, weil
sie Sicherheit in einem Markt verspricht, der von großer Unsicherheit geprägt
ist. Wird das neu entdeckte Talent es schaffen, die Bestsellerliste zu stürmen?
Oder verpufft der teure Hype mitsamt dem hohen Vorschuss und den Werbekosten? Wenn
von allen Seiten mit eskalierender Lautstärke um Zeit und Aufmerksamkeit
gebuhlt wird, dann ist ein bekannter und beliebter Name ein verlässlicher Anker
im Meer der Angebote.

Das ist
zunächst auch nicht verwerflich. Die Erwartungshaltung, die wir in Bezug auf
den neuen Roman von Zadie Smith oder Donna Tartt entwickeln, beruht ja auf der
Freude, die wir an anderen Texten schon hatten. Wo allerdings die Person der
Autorin allein den Erfolg eines Buches garantieren soll, drohen alle
Qualitätskriterien durch den Namen zusammengefasst zu werden. Die Autorin ist
bekannt, weil sie gut ist, und ihr Buch ist gut, weil sie bekannt ist. In diesem
Kreislauf ist es dann auch eigentlich nicht mehr verwunderlich, wenn Verlage
sich auch in der Belletristik lieber auf die Beliebtheit von
Popstars oder Schauspielern verlassen als auf den kleineren Ruhm des
Literarischen.

Das
alles wäre nun vielleicht nicht der Rede wert, ginge es hier wie vor 15 Jahren
vor allem um Tell-all-Autobiografien wie Stefan Effenbergs Ich hab’s allen gezeigt oder Dieter Bohlens Hinter den Kulissen. Den Roman
Düsternbrook des “glänzenden
Erzählers” Axel Milberg soll man aber laut Frühjahrsprogramm von Piper als “literarischen
Wurf mit außergewöhnlichem Ton und Witz” wahrnehmen. Und es kann ja auch funktionieren,
das zeigen diverse Beispiele aus den vergangenen zwei Jahrzehnten, Vorläufer
der neuen, breiteren Bewegung. Die Bücher des Musikers Sven Regener haben ihm
nach und nach einen gleichen Rang als Romancier eingebracht, und die
Popularität des Theaterschauspielers Joachim Meyerhoff wird längst von der
des literarischen Autors in den Schatten gestellt. Aber wer prominente Namen
nicht zuletzt um des Namens willen vermarktet, entfremdet sein Produkt von der
Literatur. Und wenn der Literaturbetrieb nicht mehr nur im prominenten
Einzelfall, sondern einigermaßen systematisch nach prominenten Namen sucht,
entfremdet er sich von seinem eigentlichen Interesse.

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