/Hongkong: Hunderttausende demonstrieren gegen Auslieferungsgesetz

Hongkong: Hunderttausende demonstrieren gegen Auslieferungsgesetz

Bei der größten Demonstration seit Jahren haben Hunderttausende Hongkongerinnen und Hongkonger
gegen die Pläne der Regierung für ein Auslieferungsgesetz demonstriert.
Es war der größte Protest seit der
Demokratiebewegung 2014. Teilnehmer hielten Schilder hoch mit Slogans wie “Keine Auslieferung
nach China” oder “Nach China ausgeliefert, für immer verschwunden”. Anwaltsverbände, Menschenrechtler und ausländische Regierungen
sind besorgt über das Vorhaben. Das neue Gesetz würde den Behörden erlauben, auf
Ersuchen chinesischer Stellen Verdächtigte an die Volksrepublik
auszuliefern.

Kritiker argumentieren, dass das Justizsystem in
China nicht unabhängig sei, internationalen Standards nicht entspreche
und politisch Andersdenkende verfolge. 99
Prozent der Angeklagten würden verurteilt. Amnesty International warnte, Ausgelieferten drohten in China “Folter,
Misshandlung und unfaire Verfahren”. Die Zusicherung, dass das Gesetz bei politischer Verfolgung nicht greife, ließ die Organisation nicht gelten. Chinas Behörden brächten regelmäßig legitim scheinende, unpolitische Anklagen vor, um Aktivisten und Regierungsgegner zu verfolgen. Das Gesetz sei ein “machtvolles
Werkzeug”, um Kritiker einzuschüchtern. Chinas Behörden brächten regelmäßig legitim scheinende,
unpolitische Anklagen vor, “um friedliche Aktivisten,
Menschenrechtsverteidiger und solche, die die Regierungspolitik
ablehnen, zu verfolgen und zu inhaftieren”.

Auf den Widerstand der Bevölkerung hin hatte die Peking-treue Regierung von Carrie Lam das Gesetz bereits abgeändert. So soll nur noch ausgeliefert werden dürfen, wer ein schweres Verbrechen begangen habe. Das
erwartete Strafmaß muss bei sieben und nicht wie ursprünglich
vorgesehen drei Jahren liegen. Einige Straftatbestände wie
Steuer- oder Wertpapiervergehen wurden gestrichen. Die Führung Hongkongs
verteidigte das Vorhaben jedoch mit dem Verweis, dass Gesetzeslücken gestopft werden
müssten. Dissidenten und Kritiker Chinas würden nicht ausgeliefert.

“Schrecklicher Schlag” gegen Hongkongs Rechtsstaatlichkeit?

Auch gibt es Sorge, dass das Gesetz die Position Hongkongs als asiatische Wirtschafts- und Finanzmetropole untergräbt. Hongkongs letzter britischer Gouverneur Chris Patten warnte, das
Auslieferungsgesetz wäre “das Schlimmste”, was Hongkong seit der
Rückgabe 1997 an China zustoßen könne. In einer Videobotschaft sprach
Patten von einem “schrecklichen Schlag” gegen Hongkongs
Rechtsstaatlichkeit, Stabilität, Sicherheit und Position als großer
internationaler Handelsplatz.

Menschenrechtsgruppen weisen auch darauf hin, dass die zwei UN-Konventionen für bürgerliche Rechte und gegen Folter, an die Hongkong
gebunden sei, eigentlich die Überstellung von Personen in Länder
untersagten, wo Folter und Misshandlung drohten. Auch die USA oder
Kanada haben ihre Sorge geäußert. Sie befürchten, dass britische oder
kanadische Bürger in Hongkong betroffen werden könnten.

Die
Kommission des US-Kongresses für Wirtschaft und Sicherheit in den
Beziehungen zu China warnte, das Gesetz könnte “eine ernste Gefahr für
die nationale Sicherheit der USA und seine Wirtschaftsinteressen in Hongkong darstellen”. Auch Kanada ist besorgt,
weil jüngst zwei seiner Bürger unter
Spionagevorwürfen in China festgenommen wurden. Die kanadische Regierung wertete das als Antwort auf die Festnahme Meng Wanzhou, Finanzchefin und Tochter des Gründers des Telekomriesen Huawei, in Kanada, um die die USA ersucht hatten. Ihr wird Bankbetrug bei der Verletzung
der Sanktionen gegen den Iran angelastet.

Die frühere britische Kronkolonie wird seit der Rückgabe 1997
an China nach dem Grundsatz “ein Land, zwei Systeme” als eigenes
Territorium autonom von einer nicht-gewählten Regierung geführt. Die sieben Millionen Einwohner der heutigen
chinesischen Sonderverwaltungsregion genießen größere politische
Freiheiten als die Menschen in der Volksrepublik, darunter das Recht auf
freie Meinungsäußerung sowie Presse- und Versammlungsfreiheit.

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