/Francisco Franco: Wie begräbt man am besten einen Diktator?

Francisco Franco: Wie begräbt man am besten einen Diktator?

Ungeduldig warten Dutzende Menschen in einer Autoschlange vor einem geschlossenen Tor. Daneben zeigt ein kleines Straßenschild den Weg zum Valle de los Caídos, dem Tal der Gefallenen. Es ist ein warmer Sonntagmorgen, fünfzig Kilometer nordwestlich von Madrid. Das Tor öffnet sich, die Autofahrer drängeln: Um elf Uhr startet der Gottesdienst, sonntags ist es besonders voll und noch weiß niemand, dass die geplante Exhumierung von Francisco Franco, aufgrund eines einstimmigen Gerichtsentscheides kurz vor Pfingsten, nicht wie geplant am 10. Juni stattfinden wird.

Der Weg zur Franco-Basilika führt durch einen idyllischen Wald zwischen den Bergen. Aus der Ferne sieht man das gigantische Kreuz auf dem Monument, es soll das größte des Christentums sein, 150 Meter groß und 200.000 Tonnen schwer. Der Taxifahrer erzählt von den “ewigen Besucherschlangen”, die es seit der Ankündigung der Exhumierung hier gebe. “Das hier ist eine Goldmine, es gibt Besucher aus aller Welt: Russen, Deutsche, Philippiner. Alle wollen Franco sehen”, sagt er.

Laut offiziellen Angaben strömen täglich über tausend Menschen in die Basilika des Monuments, in dem
Spaniens ehemaliger Diktator seit über vierzig Jahren
ruht. Und als junger Spanier fragt man sich unweigerlich: Wieso gibt es immer noch Spanier und Spanierinnen, die ihn huldigen? Man fragt sich außerdem: Wie kann es sein, dass ein ehemaliger Diktator in Europa so pompös
seine letzte Ruhe findet?

Auf der Suche nach Antworten hilft es, sich die Geschichte des Mannes noch einmal vor Augen zu führen. Francisco Franco wurde 1892 im nordspanischen Galicien geboren. Er war das zweite von fünf Kindern. Es heißt, die Eltern stritten viel. Glückliche Kindheit sieht anders aus. 1907
zog der Vater schließlich von Zuhause aus. Im selben Jahr kam Franco,
nur 14 Jahre alt, in die Infanterieakademie von Toledo und absolvierte eine beeindruckende Karriere im Militär. 1926 wurde er zum jüngsten General befördert und in den Folgejahren, durch seine guten Kontakte zu anderen Generälen mit Putschgedanken, immer gefährlicher für die junge spanische Republik. Nachdem 1936 die Linke Front die Wahl gewann, landete Franco auf den Kanaren. Es war eine Vorsichtsmaßnahme der neuen Regierung. Alle suspekten Mitglieder des Militärs sollten möglichst weit weg von den Machtzentren stationiert werden. 

Die Entfernung nützte nichts. Am 18. Juli 1936 unternahmen Franco und andere Führungskräfte des Militärs einen Putschversuch. Die Folgen: drei Jahre Bürgerkrieg. In dieser Zeit übernahm Franco den Vorsitz der faschistischen Einheitspartei und wurde Caudillo, also Führer des Landes. Er sollte es bleiben. Am 1. April 1939 endete der Bürgerkrieg mit dem Sieg der Franquisten. Sie regierten bis 1975.

1959, genau zwanzig Jahre nach Ende des Bürgerkriegs, eröffnete jenes Monument für die “Helden und Märtyrer des Kreuzzuges”, über dessen Funktion sich das Land bis heute streitet. Der Bau war ein Kraftakt. Jahrelang grub man im Berg, um Platz für die unterirdische Kirche zu schaffen. Dass zu dem Monument auch die längste Basilika und das größte Kreuz der
Welt gehört, lag vor allem an der guten Beziehung zwischen den Faschisten und
der katholischen Kirche. Beide einte die Feindschaft mit den Kommunisten, auch wenn diese hier ebenfalls ihre letzte Ruhe finden sollten.

Das "Tal der Gefallenen" ist ein Monument in der Nähe von Madrid. Der Diktator Francisco Franco wurde 1975 hier begraben.

Das Tal der Gefallenen ist ein Monument in der Nähe von Madrid. Der Diktator Francisco Franco wurde 1975 hier begraben.
© Juan F. Álvarez Moreno für ZEIT ONLINE

Die religiöse Symbolik dieses Ortes ist bis heute spürbar. Empfangen wird man in einer überdimensionalen Esplanade, die Skulpturen der vier Evangelisten stützen das Kreuz und die Aussicht auf die grünen Berge ist beunruhigend schön. Die
ersten Besucher und Besucherinnen drängen sich vor dem Eingang. Ein Mann holt etwas aus seinem Rucksack, schnell erkennt man
die gelb-rote Fahne mit schwarzem Adler, Spaniens Nationalflagge während
der Diktatur, die man tatsächlich bis heute straffrei in der
Öffentlichkeit zeigen kann. Er und seine Begleiter posieren mit der
Fahne und machen Selfies. Wem man so ein Bild wohl zeigt?

In der dunklen Basilika bewachen zwei Engel mit Schwertern den Empfangssaal. An der Wand des Kirchenschiffs hängen riesige Wandteppiche mit Szenen aus der Apokalypse. Vergebens sucht man nach Schildern, die die Geschichte des Ortes erklären. Die darauf hinweisen, dass während der Bauarbeiten auch Zwangsarbeiter eingesetzt wurden, dass Franco ein Diktator war. Wasser tropft von der Decke, sonst herrscht kirchliche Stille. Der Baustil ist nicht nur finster. Er ist auch kitschig. Der spanische Journalist Rubén Amón schrieb einst ironisch, es gebe keinen besseren Ruheort für diesen “mittelmäßigen und obszönen” Verstorbenen. Er meinte Franco.

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