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Oppermann sieht Kühnert noch nicht als Parteichef

Bundestagsvizepräsident Thomas Oppermann (SPD) sieht Juso-Chef Kevin Kühnert noch nicht gerüstet für die Aufgabe eines SPD-Vorsitzenden. “In zehn Jahren” wünsche er sich Kühnert als Parteichef, sagte Oppermann dem Tagesspiegel. Der frühere SPD-Bundestagsfraktionschef machte sich für den niedersächsischen Ministerpräsidenten Stephan Weil als neuen SPD-Vorsitzenden stark. “Mit einem sozialdemokratischen
Ministerpräsidenten aus Niedersachsen ist Deutschland schon einmal gut gefahren. Das wäre mit Sicherheit auch bei Stephan Weil so”, sagte er. Der frühere Bundeskanzler und SPD-Chef Gerhard Schröder war in den Neunzigerjahren Ministerpräsident in Niedersachsen. 

Zuvor hatte Kühnert im Spiegel Zuspruch als möglicher Parteichef erhalten. “Ich würde mich sehr freuen, wenn Kevin Kühnert kandidiert”, sagte etwa Simone Lange. Die Flensburger Oberbürgermeisterin war im vergangenen Jahr bei der Wahl zum Parteivorsitz selbst gegen Nahles angetreten und ihr ­unterlegen. Auch die schleswig-holsteinische SPD-Vorsitzende in Schleswig-Holstein, Serpil Midyatli, plädierte dafür, Kühnert
mehr Verantwortung zu übertragen. “Ein frischer, junger Kopf würde uns
­guttun”, sagte Midyatli dem Spiegel. Kühnert selbst hält sich eine Kandidatur offen. Er hatte mit einem ZEIT-Interview für kontroverse Debatten gesorgt. Zum Thema Sozialismus hatte er gesagt, dass
er für eine Kollektivierung großer Unternehmen “auf demokratischem
Wege” eintrete.

Die SPD wird derzeit kommissarisch von Manuela Schwesig, Malu Dreyer und Thorsten Schäfer-Gümbel geleitet. Diese drei übernahmen das Amt von Nahles, als diese am vergangenen Sonntag überraschend ihren Rückzug von ihren Ämtern als Partei- und Fraktionsvorsitzende bekannt gegeben hatte. Die SPD hatte bei der Europawahl deutliche Einbußen hinnehmen müssen.

Bundesparteitag doch erst im Dezember?

Wann eine neue Parteiführung gewählt wird, ist unklar. Das eigentlich für Dezember terminierte Delegiertentreffen sollte dafür nach Vorstellungen in der Bundes-SPD vorgezogen werden. Der SPD-Vorstand will sich damit am 24. Juni befassen. Die nordrhein-westfälische SPD sprach sich jetzt aber gegen einen vorgezogenen Bundesparteitag aus. Dieser solle wie geplant im Dezember stattfinden werden, hieß es in einem am Freitagabend bekanntgewordenen Brief vom NRW-Landesvorstand in Düsseldorf an das kommissarische SPD-Führungstrio in Berlin.

“Wir wissen, wir brauchen Zeit zur inhaltlichen Beratung, Entscheidung und befürworten daher den Parteitag im Dezember 2019”, hieß es darin. Auf dem Parteitag müsse aber wie geplant die Arbeit der großen Koalition bewertet werden. Dabei müssten Befürworter und Kritiker einbezogen werden. Zugleich forderte der mitgliederstärkste SPD-Landesverband eine frühzeitige Einbeziehung der Mitglieder auch bei Personalfragen. Einen Vorschlag, wer die Führung der SPD übernehmen sollte, machte der Vorstand nicht.

Oppermann benannte auch die Bundesminister für Familie und Arbeit, Franziska Giffey und Hubertus Heil, als geeignete Kandidaten. Über Giffey sagte der Bundestagsvizepräsident, sie sei “eine der stärksten Ministerinnen in diesem Kabinett” und habe “die große Fähigkeit, so zu sprechen, dass alle Menschen sie gut verstehen”.

Parteimitglieder aus NRW gründen “Die wahre SPD”

Prominente Sozialdemokraten aus der NRW-SPD, dem mitgliederstärksten Landesverband, befürchten einen Linksruck der Partei und das komplette Abräumen der Agenda-Politik von Schröder. Sie haben daher eine Initiative mit dem Namen Die wahre SPD gegründet. Dahinter stehen unter anderen der frühere NRW-Verkehrsminister und Ex-SPD-Landeschef Michael Groschek, wie die Westdeutsche Allgemeine Zeitung berichtet. “Wir sind keine
Verstaatlichungspartei und wollen keine Linkspartei 2.0 sein”, sagte der Initiator von Die wahre SPD, Hartmut Schmidt, der Zeitung. Schmidt leitete bis 2006 den SPD-Unterbezirk Oberhausen. Groschek sagte der WAZ, “eine Linkswende und Enteignungsphantasien können kein Kursbuch sein für die SPD”. Die “wahre SPD” sei eine Volkspartei der linken Mitte. Soziale Gerechtigkeit, ökologische Verantwortung und wirtschaftlicher Erfolg gehörten seiner Meinung nach zusammen.

Mehrere führende SPD-Landespolitiker plädierten in einer Umfrage der Deutschen Presseagentur für eine Doppelspitze und für eine Urwahl, darunter die Landesvorsitzenden von Hamburg, Melanie Leonhard, und Bayern, Natascha Kohnen. “Ich habe große Sympathien für eine Doppelspitze, also einen Mann und
eine Frau, die aus verschiedenen Regionen kommen”, sagte Kohnen der dpa. Auch eine Abstimmung
über die Kandidaten unter allen Parteimitgliedern könne sie sich gut
vorstellen: “Mit der Urwahl haben wir in Bayern gute Erfahrungen gemacht
– aber ich will noch weitere Vorschläge von den SPD-Mitgliedern hören.”

Anders äußerte sich Malu Dreyer. “Die Doppelspitze ist nicht die Lösung eines jeglichen Problems”, sagte sie der Süddeutschen Zeitung. Zudem müsse ein Spitzenduo “echt gut zusammenpassen” – die Grünen hätten nach mehreren Spitzenduos erst jetzt eins, das gut funktioniere.

SPD-Generalsekretär Lars Klingbeil sagte der Neuen Osnabrücker Zeitung mit Blick auf die Diskussion über eine Urwahl: “Wenn die Basis vorher eine neue Parteispitze auswählen soll, bräuchten die Kandidatinnen und Kandidaten aber auch Zeit, um sich zu präsentieren.” Das spreche gegen ein Vorziehen des Bundesparteitages. Für eine Urwahl wäre eine Satzungsänderung nötig. Damit es dann nicht zweier Parteitage bedürfe, bestehe die Möglichkeit, “dass sich der Parteitag verpflichtet, ein Votum der Parteibasis anzuerkennen”, erklärte Klingbeil.

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