/Klimaschutz: “Das Wichtigste? Ein CO2-Preis, möglichst schnell”

Klimaschutz: “Das Wichtigste? Ein CO2-Preis, möglichst schnell”

Sicher, sauber und bezahlbar: So soll die
Energieversorgung in Deutschland sein. Das hat die damalige schwarz-gelbe
Bundesregierung unter Angela Merkel im Jahr 2010 in ihrem Energiekonzept zum
Ziel erklärt. Seither muss die Bundesregierung 
einmal
im Jahr in einem sogenannten Monitoring-Bericht Rechenschaft ablegen über den
Stand der Energiewende. Alle drei Jahre muss sie zudem in einem
Fortschrittsbericht erklären, wie sie etwaige Hindernisse beseitigen will
,
um ihre Ziele tatsächlich zu erreichen. Eine unabhängige Expertenkommission
begutachtet stets beide Berichte. An diesem Donnerstag wird ihre neueste Stellungnahme im Kabinett behandelt.

Die
Fachleute warnten schon länger davor
, dass Deutschland seine
Klimaziele für das Jahr 2020 verfehlen könnte, doch das wurde von den
Verantwortlichen kaum beachtet. In ihrer aktuellen Stellungnahme
plädiert
die Kommission nun für eine grundlegende Reform: Sie fordern einen CO2-Preis
.
Sonst bestünde die Gefahr, dass auch die 2030er Klimaziele nicht erreicht
würden, sagt ihr Vorsitzender 
Andreas
Löschel, Energie- und Ressourcenökonom an der Westfälischen Wilhelms-Universität
Münster
.

ZEIT ONLINE: Herr Löschel, in Ihrer
aktuellen Stellungnahme zum zweiten Fortschrittsbericht werfen Sie und Ihre
Kollegen der Bundesregierung Untätigkeit vor. Deutschland bleibt hinter den
selbst gesetzten Zielen der Energiewende zurück, und die Bundesregierung
scheint auf die Misere gar nicht zu reagieren. Wie schlimm ist die Lage?

Probleme für die 2030er Klimaziele

Andreas Löschel: Zunächst finde ich es
beachtlich, dass die Bundesregierung überhaupt eine unabhängige
Expertenkommission berufen hat, um zu ihren Berichten Stellung zu nehmen. Wir
versuchen dabei, konstruktiv kritisch zu sein. Aber wir warnen schon seit
einigen Jahren, dass Deutschland seine Klimaziele für das Jahr 2020 verfehlen
könnte, und haben damit Recht behalten. Nun sehen wir für die 2030er Ziele ganz
ähnliche Probleme – und erneut passiert noch zu wenig.

ZEIT ONLINE: Wo hakt es am
meisten?

Löschel: Vor allem bei den
Treibhausgasemissionen, der Energieeffizienz und im Netzausbau, der ja für die
Versorgungssicherheit wichtig ist. Auch der Anteil der Erneuerbaren bei Wärme
und Verkehr könnte höher sein.

ZEIT ONLINE: Was schlagen Sie vor,
um besser voranzukommen?

Löschel: Derzeit besteht die
Energiewende aus vielen verschiedenen Einzelmaßnahmen, die nicht immer gut
koordiniert sind. Es gibt Abgasnormen, Zuschüsse für den Kauf von Elektroautos,
für Wärmedämmung, Subventionen für den Ökostromausbau … Das alles braucht
dringend einen übergeordneten Rahmen, der die Richtung vorgibt. Ein umfassender
CO2-Preis würde genau das leisten. Darüber hinaus gibt es sinnvolle Maßnahmen, etwa
um den Verkehr ökologischer zu machen. Dazu wären eine City-Maut und ein
konsequenter Ausbau des Öffentlichen Nahverkehrs gut. 

ZEIT ONLINE: Viele Ökonomen verlangen
schon lange einen CO2-Preis, selbst der Präsident des Bundesverbands der
Deutschen Industrie, Dieter
Kempf, wirft der Bundesregierung vor, im Klimaschutz nicht entschieden genug zu
handeln
. Dennoch sehen maßgebliche
CDU-Politiker einen CO2-Preis
 vor allem als
zusätzliche Belastung der Wirtschaft. Wirtschaftsminister
Peter Altmaier sagte gerade im ZDF-Morgenmagazin, Klimaschutz könne “nur
erfolgreich sein, wenn wir auch unsere wirtschaftliche Wettbewerbsfähigkeit
beibehalten”.
 Wie sehen Sie das?

Wenn man es richtig anpackt, passen Klimaschutz und starke Wirtschaft gut zusammen.

Löschel: Wenn man es richtig
anpackt, passen Klimaschutz und starke Wirtschaft gut zusammen. Eine
Energiepreisreform, wie wir sie vorschlagen, würde die Bürgerinnen und Bürgern
insgesamt kaum höher belasten, aber dennoch starke Anreize für den Klimaschutz
setzen. Davon hätten auch die Unternehmen etwas, denn sie könnten sich auf
verlässliche Rahmenbedingungen einstellen.

ZEIT ONLINE: Klimaschutz würde uns
dann unterm Strich gar nichts kosten?

Löschel: Völlig ohne Mehrkosten wird Klimaschutz
nicht gehen. Aber die Politik kann steuern, dass etwa die ärmeren Haushalte
nicht noch stärker belastet werden. Sie tragen jetzt schon einen
überproportional hohen Anteil der Energiewendekosten. Eine gut gemachte
Energiepreisreform würde genau das ändern.

ZEIT ONLINE: Wie stellen Sie sich
das konkret vor?

Löschel: Die Energiewende in
Deutschland wird vor allem durch den Strompreis finanziert. Es gibt die
EEG-Umlage nach dem Erneuerbare-Energien-Gesetz, die KWK-Umlage zur Förderung
der Kraft-Wärme-Kopplung und die Stromsteuer. Wir schlagen vor, diese Umlagen
weitgehend zu streichen. Dann wäre Strom in Deutschland nicht mehr so teuer.

Im Gegenzug würden wir einen umfassenden CO2-Preis einführen. Er
würde nur die fossilen Energien belasten. Das belastet Strom, der aus fossilen
Energieträgern stammt und macht erneuerbare Elektrizität billiger. Diese könnte
beispielsweise viel leichter genutzt werden, um den Klimaschutz im Verkehr
voranzutreiben – durch Elektroautos –, aber auch in anderen Sektoren, etwa
in der Industrie oder für Kühl- oder Heizenergie.

ZEIT ONLINE: Sind Sie für eine
CO2-Steuer oder für einen Zertifikatehandel?

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