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Klimaschutz: Auf einmal sind sie alle öko

Auf einmal sind sie alle öko. Am Sonntag versprach Finanzminister Olaf Scholz (SPD) im Fernsehen, dass ein Klimagesetz komme, bald und ganz bestimmt. Am Montag verkündete die CDU-Vorsitzende Annegret Kramp-Karrenbauer, dass die CDU über den ökologischen Umbau des Steuer- und Abgabensystems nachdenken werde. Am Dienstagmorgen teilte Bundeskanzlerin Angela Merkel mit, sie wolle im Klimaschutz enger mit Frankreich und den Niederlanden zusammenarbeiten, und am Nachmittag wünschten sich die CDU-Fraktionschefs in Weimar in einem gemeinsamen Papier, dass Flugpreise endlich auch mal die echten Kosten widerspiegeln sollten und deswegen die Steuerbefreiung für Kerosin überprüft werden solle.

Wahrscheinlich gab es noch weitere Vorschläge und es werden noch mehr folgen. Bei dem Tempo, mit dem sich die Vertreter der großen Koalition jetzt in Sachen Öko überbieten, kommt man kaum noch hinterher. Dabei fällt auf, dass vor allem Politiker, die vor der Europawahl kaum ein Wort über Umweltschutz verloren haben, auf einmal mit grünen Ideen, Plänen und Projekten punkten wollen. Und sie tun dabei ach so zerknirscht und problembewusst.

Kann man einen so jähen Sinneswandel wirklich glauben? Wie nachhaltig ist es, wenn die Parteioberen nach den massiven Stimmverlusten ihrer Parteien bei der Europawahl nun plötzlich ergrünen?

Und ewig grüßt die Klimamerkel

Nicht nur Zyniker verweisen darauf, dass es etwas Ähnliches schon früher gab. Auch in der Vergangenheit war die Republik immer mal wieder herrlich grün, jedenfalls in den Reden, auf dem Papier und in den Parteiprogrammen. Nur ein Beispiel: Bereits 1995 (!) leitete die damalige Umweltministerin Angela Merkel auf dem siebten CDU-Parteitag ein Forum über die “ökologische und soziale Marktwirtschaft als Zukunftskonzept”. Damals stellte sie fest, dass niemand mehr “das nationale C02-Minderungsziel infrage stellt”. Das Protokoll verzeichnet keinen Widerspruch. Und dann fuhr Merkel fort: Also sei “klar, dass man die entsprechenden Instrumente schaffen muss”. Der CDU-Parteitag beschloss dann, sich für eine europäische CO2-Steuer einzusetzen.

Man könnte also auch sagen: Die CDU war vor mehr als einem Jahrzehnt sogar ökologischer als heute. Damals hat es die CO2-Steuer immerhin in einen Parteitagsbeschluss geschafft. Heute will die Partei hingegen erst einmal neue Konzepte erarbeiten. Und dann im Herbst, vielleicht, etwas tun. Als habe es die Merkel-Erkenntnisse nie gegeben, als hätten sie nicht jahrelang die Macht und die Zeit gehabt, die “entsprechenden Instrumente” (um es mit Merkel zu sagen) zu schaffen.

Wäre man ein Zyniker, würde man dazu sagen: Und ewig grüßt die Klimamerkel.

Damit könnte dieser Kommentar auch enden, indem er die Scheinheiligkeit der Regierungspolitiker geißelt. Das wäre auch nicht falsch und doch würde etwas ganz Wichtiges unterschlagen: Anders als vor 20 Jahren ist die Klimakrise heute real, sie ist fühlbar, immer mehr, immer stärker, an immer mehr Orten. Und genau das wird dazu führen, dass sich die Geschichte nicht einfach wiederholt.

CDU, CSU und SPD können, selbst wenn sie wollten, künftig einfach nicht mehr so tun, als ob nichts passiert. Weil jeder, der mit halbwegs offenen Augen durch die Welt geht, ihnen ihre Untätigkeit vorwerfen wird. Und das wird dann noch mehr Stimmen kosten, vielleicht nicht bei den Landtagswahlen im Osten. Aber bei der nächsten Bundestagswahl. Die große Koalition wird also schon aus vitalem Eigeninteresse verdammt schnell nicht nur gute Ideen haben müssen (die es übrigens oft schon gibt). Sie wird sie endlich auch mal umsetzen müssen.

Beispielsweise beim Kohleausstieg. Noch ist auch der ja nur eine Idee einer Kommission. Noch könnte es sogar so sein, dass der Bundestag zwar in den kommenden Wochen ein Gesetz beschließt, das viel Geld in die Kohleregionen lenkt. Dass das eigentliche Ausstiegsgesetz aber auf den Herbst vertagt wird – und möglicherweise vorher noch die Koalition zusammenkracht.

Blamieren oder wirklich was tun?

Wenn das aber passiert, hätten sich die drei Parteien im Klimaschutz tatsächlich final blamiert: als Parteien, die den Kohleausstieg versprochen haben – ihn aber wieder mal auf eine Zeit nach der nächsten Wahl vertagen. Vorher aber viele Steuermilliarden ausgegeben haben. Der Glaubwürdigkeitsverlust wäre dann wirklich massiv.

Da das kein Politiker der großen Koalition wollen kann, bleibt nur: Ab sofort wetteifern die beiden schmelzenden Volksparteien nicht nur darum, wer die besten Umweltkonzepte hat. Sondern darum, wer endlich etwas hinbekommt.

P.S.: Ja, ich weiß, in diesem Kommentarende steckt sicher in bisschen Wunschdenken.

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