/Robert Habeck: Kann man SUVs eigentlich verbieten, Herr Habeck?

Robert Habeck: Kann man SUVs eigentlich verbieten, Herr Habeck?

DIE ZEIT:
Herr Habeck, die Volksparteien taumeln, die große Koalition ist am Ende. Was schlagen Sie
vor, um die Krise zu überwinden?

Robert Habeck:
Was wir erleben, ist eine Erosion des Vertrauens in politische Handlungsfähigkeit. Den
ganzen Tag hören wir, die Klimakrise ist die Bedrohung unseres Jahrhunderts, Amazon, Google
und Facebook zahlen in Europa kaum Steuern, es gibt zu viel Nitrat auf den Feldern, die
Mieten explodieren. Menschen erwarten, dass entsprechend gehandelt wird.

ZEIT:
Brauchte es dafür nicht eine neue Regierung?

Habeck:
Es wäre aus meiner Sicht falsch, jetzt das Spiel der Krise mitzuspielen, auch nicht als
Oppositionspolitiker. Der Grund für die Krise ist das Misstrauen der Menschen, dass Politik,
wie wir sie kennen, angesichts globaler Umschwünge das Gebot der Fairness nicht mehr
durchsetzen kann. Und solange dieses Misstrauen schwelt, ist es schwer, Begeisterung für
Demokratie herzustellen. Deshalb gilt, dass auch die Opposition sich verantwortungsvoll
verhält, dass sie inhaltliche Vorschläge macht, aber nicht herumzündelt.

ZEIT:
Für neue Verhandlungen mit Union und FDP, für eine Jamaika-Koalition würden die Grünen
definitiv nicht zur Verfügung stehen?

Habeck:
Ich möchte noch mal betonen, dass ich als Bürger des Landes erwarte und hoffe, dass diese
Legislaturperiode gedeihlich zu Ende geht. Aber es braucht eben eine Regierung, die
tatsächlich führt. Ob die Regierungsparteien das wollen und können, müssen sie selbst mit
sich klären. Sollte die Koalition zerbrechen, spricht mehr für Neuwahlen als einen dritten
Regierungsversuch. Eine neue Regierung bräuchte eine neue demokratische Legitimation, damit
sie für die großen Aufgaben mit einem starken Mandat ausgestattet ist. Die Themen, die
Debatten und auch das Personal in den Parteien haben sich doch grundlegend verändert.

ZEIT:
Sind die Grünen in der Lage, um die führende Rolle in diesem Land zu kämpfen?

Habeck:
Dass wir jetzt eine Orientierung gebende Aufgabe haben, eine Verantwortung nicht nur als
politisches Korrektiv, sondern als wegweisende Kraft, das ist uns wohl bewusst. Deshalb ist
das Europawahlergebnis nicht nur ein Moment der Freude, sondern auch eine Weiche für unsere
Partei. Uns allen ist klar, dass eine große Verantwortung auf uns zukommt.

ZEIT:
Woran sehen Sie das?

Habeck:
Neben dem Europawahlergebnis gab es ja zehn Kommunalwahlen. In vielen Regionen und Städten
sind die Grünen in die Stichwahlen um das Oberbürgermeisteramt eingezogen oder stärkste
Partei in den Kommunalparlamenten geworden. Übrigens nicht nur in den großen Städten oder
den urbanen Räumen, sondern auch in Dörfern wie Kieve in Mecklenburg. In Görlitz an der
polnischen Grenze hat es die grüne Spitzenkandidatin mit knapp 30 Prozent fast in die
Stichwahl geschafft. Und auch in der traditionellen Arbeiterstadt Dortmund sind wir bei der
Europawahl stärkste Kraft geworden. Das sind alles keine klassischen grünen Hochburgen. Da
ist was passiert. In der Partei wächst das Bewusstsein des historischen Moments.

ZEIT:
Was ist denn das Historische an der Situation?

Habeck:
Gelingt es, in einer liberalen Parteiendemokratie noch politische Handlungsfähigkeit
herzustellen? Das ist, glaube ich, die Frage, um die alles kreist. Lebensentwürfe und
Wertvorstellungen der Menschen werden immer vielfältiger, die Gesellschaft immer
emanzipierter. Und trotzdem muss es gelingen, politische Mehrheiten zu finden. Was da nicht
mehr funktioniert, ist machtmäßig von oben herab mit YouTubern oder “Fridays for
Future”
-Aktivisten zu sprechen wie mit ungezogenen Kindern, wie Eltern in
Heinz-Rühmann-Filmen.

ZEIT:
Die Grünen sind ja eigentlich nicht dafür gebaut, eine Bundesregierung anzuführen.

Habeck:
Wir sind als Antiparteien-Partei gegründet worden. Aber unsere Rolle hat sich verändert:
Wir sehen uns in der Verantwortung, uns um die zentrale Frage des gesellschaftlichen
Zusammenhalts zu kümmern. Und das, was früher als grüne Eigenart und oft auch Schwäche galt
– Basisdemokratie, Doppelspitzen –, ist für die neue Zeit ein Pfund. Aber klar, gemessen an
den Mitgliederzahlen von CDU und SPD sind wir immer noch deutlich kleiner. Das wird
ausgeglichen durch das Können und durch den Einsatz von vielen Menschen, die auch den halben
Schritt mehr gehen. Aber wir merken, dass wir hart am Wind segeln.

Hits: 50