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Die Linke: Sahra Wagenknecht bleibt noch ein bisschen

Für manche Linke war es ein Schock, für andere eher eine Erleichterung, als Sahra Wagenknecht Mitte März ankündigte, ihr Amt als Fraktionsvorsitzende aufgeben zu wollen. Doch nun zieht sich der Abschied länger hin als geplant.

Wie die Fraktionsvorsitzende der Linken mitteilte, ist sie bereit, ihr Amt noch bis zum regulären Neuwahltermin im Herbst auszuüben. Vor wenigen Tagen hatte sie dagegen noch angekündigt, im Juni aufhören zu wollen. Grund für die Verschiebung sei ein Brief der
ostdeutschen Landesverbände der Partei. Diese hatten am Wochenende
ausdrücklich darum gebeten, den Fraktionsvorsitz erst nach den drei
Landtagswahlen in Brandenburg, Sachsen und Thüringen durchzuführen. Der späteste Wahltermin ist am 27. Oktober in Thüringen.

Ihr
persönlich wäre ein früherer Wechsel lieber gewesen, sagte Wagenknecht
der Deutschen Presse-Agentur. Aber ihr Co-Fraktionsvorsitzender
Dietmar Bartsch habe sie gebeten, die Neuwahl der Fraktionsspitze auf Herbst zu
verschieben. “Das habe ich akzeptiert”, sagte Wagenknecht.

Keine “chaotischen Verhältnisse produzieren”

Wagenknecht hatte vor allem gesundheitliche Gründe für ihren Rückzug geltend gemacht. Allerdings hatte sie auch durchblicken lassen, dass der parteiinterne Machtkampf zwischen ihr und den Parteivorsitzenden Katja Kipping und Bernd Riexinger sie zermürbt habe. Zwischen beiden Seiten hatte es eine harte Auseinandersetzung um die Ausrichtung der Partei gegeben. Vor allem mit ihren migrationsskeptischen Äußerungen war Wagenknecht immer wieder auf innerparteiliche Kritik gestoßen. Auch die Gründung der Sammlungsbewegung Aufstehen hatte in der Linkspartei für Irritationen gesorgt. Manche befürchteten, Wagenknecht plane eine Konkurrenzpartei zur Linken. Im Osten gilt sie jedoch nach wie vor als wichtige Identifikationsfigur.
Dort hatte die Partei bei Wahlen zuletzt deutlich schlechter
abgeschnitten als in früheren Jahren.

Im Fraktionsvorstand habe es am Montag keinen Widerstand gegen eine Verschiebung der Neubesetzung des Fraktionsvorsitzes gegeben, erfuhr ZEIT ONLINE aus Fraktionskreisen. Man habe dabei auch die aktuellen Geschehnisse bei der SPD und die Gefahr eines vorzeitigen Endes der großen Koalition berücksichtigt. “Angesichts dieser Lage kann man nicht ernsthaft jetzt in der Linken chaotische Verhältnisse produzieren”, sagte Bartsch am Montag im ZDF-Morgenmagazin. Ähnlich äußerte sich auch Kipping.

Personaldebatte über den Sommer?

Bisher ist unklar, wer Wagenknecht nachfolgen könnte. Dass es wieder eine Doppelspitze geben müsse, sei im Fraktionsvorstand aber unstrittig gewesen, hieß es. Der Parteivorsitzenden Katja Kipping wurden zuletzt immer wieder Ambitionen auf den Fraktionsvorsitz nachgesagt. Ihre Amtszeit als Parteivorsitzende endet im kommenden Sommer. Nach den Statuten der Partei soll dieses Amt nicht länger als acht Jahre von ein und derselben Person ausgeübt werden. Diese Zeitspanne hätte Kipping im kommenden Jahr erreicht und bräuchte, um weiter eine Spitzenfunktion in der Partei zu haben, ein anderes Amt. Kipping hatte allerdings direkt nach der Europawahl vor einer Woche erklärt, dass sie nicht kandidieren will.

Am Dienstag wird die Fraktion den Zeitplan für eine Neuwahl besprechen. Man rechne nicht mit Widerstand gegen eine längere Amtszeit von Wagenknecht, hieß es aus dem Vorstand. Welches Lager in der Partei am Ende am meisten von der Verschiebung profitieren wird, ist schwer vorherzusagen. Sowohl diejenigen, die eher auf der Seite von Kipping stehen, als auch diejenigen, die bisher Wagenknecht unterstützt haben, haben nur mehr Zeit, für ihre Favoritinnen zu werben. Die Personaldebatte, die Bartsch und die ostdeutschen Landesverbände mit der Verschiebung beenden wollen, könnte nun erst recht den ganzen Sommer über geführt werden.

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