/“Der Sommer meiner Mutter”: Die Welt der Panoramafenster

“Der Sommer meiner Mutter”: Die Welt der Panoramafenster

Ulrich Woelk erkundet in seinem neuen Roman die seelische Frühgeschichte der Bundesrepublik.

4. Juni 2019, 21:48 UhrEditiert am 4. Juni 2019, 21:48 Uhr

"Der Sommer meiner Mutter": Fast so schön wie der Kanzlerbungalow: Das Eigenheim der Sechzigerjahre

Fast so schön wie der Kanzlerbungalow: das Eigenheim der Sechzigerjahre
© Mary Evans/Courtesy of The Land of Lost Content Collection/Interfoto

Im Jahr 1963 übernimmt Ludwig Erhard mit der Parole “Maßhalten!” den
Posten des Bundeskanzlers. Während sein Vorgänger im Palais Schaumburg residiert hat, lässt
sich Erhard von dem befreundeten Architekten Sep Ruf einen Kanzlerbungalow errichten und zieht
mit dem von bodentiefen Fensterscheiben gerahmten Flachbau einen Schlussstrich unter die
jüngere deutsche Geschichte. Die konservativen Milieus echauffieren sich über dieses
Bekenntnis zur klassischen Moderne und hetzen gegen das “Palais Schaumbad”. Adenauer, so wird
kolportiert, hält den “Maßhalte-Bunker” für ein architektonisches Verbrechen und hätte die Tat
gern mit zehn Jahren Zuchthaus bestraft. Erhards Nachfolger Kiesinger versucht die kühle
Stimmung mit Polstermöbeln aufzuplüschen. Willy Brandt zieht erst gar nicht ein. Helmut Schmidt setzt ein Zeichen für kühle Sachlichkeit, muss allerdings im “Deutschen Herbst” auf
der Terrasse hinter einer kugelsicheren Scheibe die Sonne genießen.

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