/SPD-Parteivorsitz: Deutschlands riskantester Politikjob zu vergeben

SPD-Parteivorsitz: Deutschlands riskantester Politikjob zu vergeben

Andrea Nahles ist raus. Um 10.46 Uhr an diesem Hochsommermorgen
verlässt die Gescheiterte die SPD-Zentrale. In der gerade erst begonnenen
Sitzung hat sich die Nochparteivorsitzende von ihrer SPD verabschiedet,
erläutert, dass sie erkannt habe, dass ihr vor allem in der Bundestagsfraktion
der Rückhalt fehle. Es sei ein emotionaler Moment gewesen, erzählen Teilnehmer.
Vor den Kameras, die vor dem Willy-Brandt-Haus aufgebaut sind, ringt sich
Nahles ein Lächeln ab. Zu den wartenden Journalisten sagt sie, diese hätten es
mit den zahlreichen Krisensitzungen der SPD nachts und am Wochenende ja auch
nie einfach gehabt. “Danke schön, machen Sie es gut.” Dann verschwindet die
erste Frau an der Spitze der Partei in die Mittagssonne.

Drinnen in der Parteizentrale ziehen sich die Beratungen
noch mehrere Stunden. Die SPD hat sich zwar darauf einigen können, dass sie
Nahles nicht mehr will. Nun aber ist sie weitgehend planlos. Der SPD-Parteivorsitz
ist in diesen Zeiten der vielleicht riskanteste Job, den es in diesem Land zu
vergeben gibt. Schließlich hat die Partei nicht nur Andrea Nahles, sondern in den
vergangenen zehn Jahren insgesamt zehn Spitzenpolitiker auf diesem Posten
verschlissen.

Den Interimsvorsitz übernehmen erstmal drei
Stellvertreter von Andrea Nahles: Manuela Schwesig, Ministerpräsidentin von
Mecklenburg-Vorpommern, ihre rheinland-pfälzische Amtskollegin Malu Dreyer und
der scheidende hessische SPD-Landeschef Thorsten Schäfer-Gümbel. Nach Nahles’ Rücktritt
sind sie als ihre Stellvertreter quasi automatisch in der Verantwortung. Aber auch
sie hatten offenbar keine Lust, sich die schwierige Situation allein anzutun,
und wollen künftig als Gruppe auftreten.

Mit Manuela Schwesig ist weiter zu rechnen

Alle drei betonen, dass sie keine Ambitionen haben, dauerhaft SPD-Vorsitzende zu sein. Schäfer-Gümbel hat sowieso nur bis
Oktober Zeit, dann wird er seinen neuen Job bei der Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit antreten. Er hatte in Hessen im Oktober die
dritte Landtagswahl in Folge verloren und daraufhin sein Ausscheiden aus der
Politik bekannt gegeben
. Malu Dreyer sagte nochmals explizit, dass sie nie
vorgehabt habe, aus Mainz in die Bundespolitik zu wechseln.

Mit Manuela Schwesig ist in der SPD hingegen weiterhin zu
rechnen. Die 45-Jährige gilt als machtbewusst und durchaus hartnäckig, was ihre
Ziele betrifft. Doch sie ist erst seit zwei Jahren SPD-Regierungschefin
im Nordosten und hat sich dort dem Kampf gegen die starke AfD verschrieben. Schafft
sie es, in Mecklenburg-Vorpommern auch die Landtagswahl 2021 für die SPD zu
gewinnen, dann dürfte sie in der SPD noch eine lange Karriere vor sich haben. Eine
schlechte Performance als Vorsitzende einer hoch nervösen Partei könnte ihr bei
diesem Plan nur schaden.

Das neue Krisentrio versteht seine Aufgabe also erst mal rein
organisatorisch. Es will Schritt für Schritt vorgehen und Zeit gewinnen. Alles, was den Anschein von Kopflosigkeit vermittelt, will es vermeiden. Diskussionen etwa über
das vorzeitige Ende der großen Koalition, gefordert unter anderem aus dem Landesverband Sachsen-Anhalt und Teilen Nordrhein-Westfalens. Die Gespräche darüber haben die drei auf den 24. Juni vertagt.

Da kein Mitglied des Trios
diesen Job dauerhaft wolle, werde man sehr vertrauensvoll zusammenarbeiten.
“Alle für einen, einer für alle”, sagt Schäfer-Gümbel. Die drei Musketiere
der SPD wollen sich künftig abwechseln, wenn sie mit der Union über Inhalte
verhandeln müssen. Außerdem gebe es ja noch Vizekanzler Olaf Scholz, sagt
Dreyer.

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