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SPD: Macht Macht menschlich!

Der herrschende Geist der Politik zeigt sich manchmal sehr drastisch in der Metaphorik, derer sie sich bedient. Am Sonntag zum Beispiel stand Rudolf Dreßler, einst führender Sozialpolitiker der SPD und ein Gewerkschafter ganz alter Schule, im Studio des Nachrichtensenders Phoenix und kommentierte mit größtmöglicher Kälte den Rückzug von Andrea Nahles aus der Politik: Köche würden sich auch nicht beschweren, dass es in der Küche heiß sei. Die Hitze in der sehr alten und archaischen Wendung von der Menschenfeindlichkeit in der Gastronomie einerseits und die Kühle, mit der Dreßler sie andererseits vortrug, kollidierten dabei sehr eindrücklich. Und dass der in seinem Freizeit-T-Shirt ein wenig so aussah, als habe man ihn bei dem wunderschönen Wetter draußen geradewegs vom Grillen aus dem Garten ins klimatisierte Fernsehstudio geholt, wirkte nicht einmal lustig.

Hätte man Dreßler vor zwei Jahrzehnten, bevor er sein Bundestagsmandat aufgab und für fünf Jahre deutscher Botschafter in Israel wurde, die Zuschreibung “Parteisoldat” verpasst, hätte er das mutmaßlich als Auszeichnung verstanden. Dreßler hatte sich zuvor jahrzehntelang aufseiten der SPD an Sozialpolitikern der CDU wie Norbert Blüm abgearbeitet. Zu Beginn seiner Bundestagsabgeordnetenzeit Anfang der Achtzigerjahre hatte er noch Herbert Wehner erlebt, Dreßlers schneidender Sound erinnert heute noch an den des einstigen SPD-Fraktionsvorsitzenden im Bundestag. Politik klingt da noch nach einem Abnutzungskampf, nach der Fortsetzung des Krieges mit zivilen Mitteln. Diesen führen Menschen in Parteiorganisationen, Regierungen und Bürokratien gegeneinander – aber auch gegen sich selbst und in vollem Bewusstsein auch gegen die eigene Gesundheit. Der große Preis ist die Macht, das Durchsetzen. Die sogenannten Inhalte, um die es dort stets gehen soll, heiligen die Mittel.

Eigentlich, so schien es, hatten wir diese Zeiten seit ein paar Jahren hinter uns. Angela Merkel jedenfalls vermittelte qua Regierungsstil seit Beginn ihrer Kanzlerschaft im Jahr 2005 nach außen den Eindruck, es könne wahrhaftig stimmen, dass auch die Politik es in ein weniger kämpferisches, nämlich postheroisches Zeitalter geschafft habe. Eine Frau und zudem Naturwissenschaftlerin zeigte, wie man pragmatisch, ja technokratisch nach den bestmöglichen Lösungen unter den leider stets sehr begrenzten Möglichkeiten des Durchsetzbaren Politik macht. Dass sie dabei dennoch Macht ausübte, nach innen kalt und hart sein konnte, schien ein notwendiges Übel des Übergangs.

Die alten Heldensagen

Emotional und damit letztlich schwach erschienen immer nur die anderen, gerade auch diejenigen, die an ihr scheiterten: Männer wie Friedrich Merz, Roland Koch und Christian Wulff, die alten Andenpaktierer, glaubten offenbar noch an die Heldensagen in der Politik. Ihr angenommener Heroismus jedoch zeigte sich stets erst im Moment der Niederlage (und Merz glaubt ganz offenbar auch noch an die in der Politik eigentlich nie vorkommende Heldengeschichte vom Comeback). Verloren, aber bis zum Letzten verbissen gekämpft.

Angela Merkel hingegen kann sich mittlerweile in Harvard als weltweise Friedensbotschafterin feiern lassen.

Eine vergleichbare Erzähllogik von Aufstieg und Fall, Gewinnen und Verlieren, wie sie nun in der Politik doch wieder aufscheint, gibt es eigentlich nur im Sport, in dem es ja auch oft ums große Ganze zu gehen scheint, ums Land, die Sportnation: Eine Profisportlerkarriere wirkt wie die Abfolge von Siegen und Niederlagen, eine Aneinanderreihung von Momenten, die auf absolute Weise gut oder schlecht sind. Und irgendwann geht es nur noch um den vermeintlich richtigen Zeitpunkt, mit alldem aufzuhören – bestenfalls auf dem Höhepunkt, nachdem man gerade in irgendeinem Stadion irgendeine Trophäe in den Nachthimmel gereckt hat. Der wesentliche Unterschied ist die Zeit, die der menschliche Körper die Strapazen mitmacht. Im Sport ist üblicherweise mit Mitte 30 Schluss.

Andrea Nahles hat mit der angekündigten Aufgabe ihrer Ämter und ihres Bundestagsmandats ihre politische Karriere im Alter von 48 Jahren beendet. Vorzeitig also, gemessen an den üblichen Gepflogenheiten in der Politik. Aber dennoch auf dem Höhepunkt ihrer, wie es in dem Zusammenhang dann heißt, Gestaltungsmacht als Vorsitzende einer Partei und Fraktion. Ihr politischer Rückzug, so lässt sich das nur verstehen, ist ein völliger. Dieser Verzicht auf Macht ist in seiner Absolutheit auch schon wieder ein heroischer.

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