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SPD: Dieser Rücktritt löst gar nichts

Der Rücktritt von Andrea Nahles vom SPD-Partei- und
Fraktionsvorsitz war unausweichlich. Da half auch eine hastig
zusammengeschriebene Solidaritätserklärung der engsten SPD-Führung um Olaf
Scholz, Malu Dreyer und Manuela Schwesig am Samstagabend
nichts mehr: Nahles’
einsame Entscheidung, die Fraktionsvorstandswahl auf kommenden Dienstag
vorzuziehen
, hat zwar ihre Gegner unvorbereitet getroffen – doch sie kam wie
ein Bumerang zu Nahles zurück. Genau wie beim Rücktritt ihres Vorgängers Martin Schulz waren es die mächtigen
SPD-Landesverbände, die Nahles nach nur 14 Monaten im Amt die Unterstützung
versagten.

Die persönliche Tragik der Andrea Nahles ist, dass ihre Kontrahenten sich noch
nicht mal auf offener Bühne zeigen mussten, sondern bis zuletzt im Hintergrund
ihren Sturz abwarten konnten: Bis Sonntagfrüh hatte sich kein Gegenkandidat
gemeldet – und doch wusste Nahles, dass sie die Mehrheit der 152
Bundestagsabgeordneten nicht mehr hinter sich hat. Und weil die Situation in der Partei nicht besser ist,
gibt sie auch den SPD-Vorsitz ab. Nach mehr als 20 Jahren Berufspolitik ist es
vorbei: Für eine Frau, die ihr Leben der Partei gewidmet hat, ist dies ein
großer Einschnitt. Und eine noch größere persönliche Niederlage. Es ist schon
bemerkenswert, dass mit FDP-Chef Christian Lindner einer ihrer Hauptgegner sagt, der
Umgang mit Frau Nahles solle “alle in Politik und Medien zum Nachdenken
bringen”.

Olaf Scholz ist nicht die Zukunft der Partei

Klar ist auch: Nahles ist weg, aber die Probleme der SPD bleiben. Es gibt nicht wenige Stimmen, die
fordern, die Partei müsse nun einen radikalen Schnitt machen. Das Ende der großen Koalition steht im Raum. Es ist ernst. 

Wer wird die SPD in Zukunft führen? Auch davon wird
abhängen, ob die große Koalition hält und es vielleicht bald schon Neuwahlen
gibt. Nahles besetzt zwar kein Regierungsamt, alle Minister und der Vizekanzler
arbeiten weiter. Doch keiner weiß, wohin die verzweifelte Dynamik, die Revolte der
SPD von unten nach oben, in den nächsten
Tagen noch führen wird.

Mit Nahles geht eine große Befürworterin des Bündnisses. Denn
sie war es, die ihrer SPD auf dem Parteitag im Januar 2018 mit einer
energischen Rede ins Gewissen redete, es nochmal mit der Union zu versuchen. Nur eine äußerst knappe Mehrheit von 56
Prozent der Delegierten stimmte damals für die große Koalition. Mehrere Wahlniederlagen später ist der Unmut noch viel größer.

Nahles’ Scheitern stellt auch die Zukunft vieler anderer in der SPD-Führung infrage. Vom kollektiven Versagen der SPD-Spitze, die seit Jahren aus
den gleichen Gesichtern besteht, sprach beispielsweise Ex-Wahlkampfstratege Kajo Wasserhövel in einem Gastbeitrag für ZEIT ONLINE. So läuft sich Olaf Scholz, ein Vertreter der alten Groko-Garde, zwar schon länger warm für eine mögliche Kanzlerkandidatur und hat im Finanzministerium Strategen und Vertraute um sich gesammelt.

Olaf halte sich für den kommenden Kanzler, so ein gerne
erzählter Witz in der SPD: Aber seine Partei habe er davon noch nicht
überzeugt. Auf Parteitagen erhält der als arrogant geltende Scholz seit Jahren
eher maue Wahlergebnisse. In den vergangenen Wochen war er, der doch immer als
enger Vertrauter von Nahles galt, weitestgehend verstummt.

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