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Schweinepest: Eine Seuche wie ein Tsunami

Das Jahr des Schweines steht in China eigentlich im Zeichen von
Wohlstand und Lebensfreude. Doch den Tieren selbst hat 2019 bislang nur Unglück
gebracht: In der Volksrepublik grassiert die Afrikanische Schweinepest, mehr
als eine Million Schweine mussten notgeschlachtet werden. Bis Ende des Jahres
droht die Hälfte der Schweinefleischproduktion auszufallen. Da China aber so viel
Schweinefleisch konsumiert wie kein anderes Land, treibt der Versorgungsengpass
nun auch die Preise in Europa in die Höhe.

Wie groß das Ausmaß der Epidemie ist, ist unbekannt:
Vergangenen August wurde der Virus zum
ersten Mal in China entdeckt. Bis Ende Mai dieses Jahres hat er 22 Provinzen
befallen, nach Behördenangaben trat er 129-mal im ganzen Land auf. Nach
Einschätzung von Analysten dürfen diese Angaben aber weit untertrieben sein:
Die niederländische Rabobank, ein international führender Finanzdienstleister
in der Landwirtschaftsindustrie, geht davon aus, dass in China bis Ende des
Jahres 150 bis 200 Millionen infizierte Schweine an der Schweinepest sterben
oder gekeult werden müssen – die gesamte
Schweineherde des Landes zählte vergangenes Jahr 360 Millionen Tiere. 

“Viele Lokalbehörden
vertuschen die Zahlen und berichten Fälle nicht nach oben. Die Bauern sind in
Panik”, schilderte es diese Woche ein anonymer Brancheninsider in einem
Beitrag, der über die sozialen Medien in China zirkulierte. Die Regierung
sichert betroffenen Bauern pro gekeultem Schwein zwar umgerechnet 155 Euro
Entschädigung zu. Doch erkrankt auch nur ein Tier, wird die gesamte Provinz für
die Schweineausfuhr gesperrt. Selbst Betriebe, die nicht von der Seuche
befallen sind, werden in die Existenzkrise getrieben. Lokalkader versuchen
darum, die Ausbrüche zu verschweigen.

Schweinefleisch ist beliebt in China

Ende Februar berichtete der CEO einer
Schweinefarm in der Provinz Hebei auf Weibo, dem chinesischen
Twitter-Äquivalent, dass in seinem Betrieb 15.000 Schweine gestorben seien.
“Wir denken, es ist die Schweinepest, aber die Regierung weigert sich, das zu
bestätigen.” Der New York Times gegenüber sagten mehrere Farmer aus
unterschiedlichen Provinzen, dass sie infizierte Schweine nicht gemeldet
hätten. Andere erzählten, dass offizielle Stellen selbst bei einer Meldung
nicht schnell reagiert hätten.

Für die Pekinger Zentralregierung wird der Kampf gegen die
Schweinepest immer dringlicher: Schwein ist die meist konsumierte Fleischsorte
in China, 128 Milliarden Dollar war der Markt 2018 wert. An die 50 Millionen
Farmen leben von der Schweinezucht. Die Hälfte von ihnen sind Kleinstbetriebe
im Hinterland mit weniger als 50 Tieren. Diese in der Regel armen Bauern trifft
die Epidemie einerseits besonders hart. Andererseits ist es genau die
Kleinteiligkeit der chinesischen Schweineindustrie, die das Ausbreiten der
Seuche befördert: Laut Experten sind die meisten Kleinfarmer nicht dazu in der
Lage, die nötigen Sicherheitsmaßnahmen zu ergreifen, um den Virus einzudämmen.

Der Erreger der Afrikanischen Schweinepest ist äußerst aggressiv. Mehrere
Monate überlebt er etwa in getrockneten Würsten, bis zu zwei Jahren in
gefrorenem Fleisch. Auch Menschen, obwohl sie nicht erkranken, können den Erreger weitertragen.

“In der chinesischen Provinz verbreitet sich der Erreger oft über die
Verfütterung von Lebensmittelresten, die ihrerseits bereits Schwein enthalten”,
sagt Nicolas Stöckert, der in Shanghai europäische Fleischproduzenten vertritt
und ein langjähriger Kenner des chinesischen Schweinemarktes ist. Auch über
wiederverwendete Transportbeutel von Schweinefutter und schlecht gereinigte
Laster übertrage sich die Seuche.

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