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Berlin: Al-Kuds-Demonstration mit weniger Teilnehmern als erwartet

Berlin – Hunderte demonstrieren am Al-Kuds-Tag
Bei den israelfeindlichen Al-Kuds-Protesten haben laut Polizei etwa 900 Menschen für einen palästinensischen Staat demonstriert. Es gab fast ebenso viele Gegendemonstranten.
© Foto: Fabrizio Bensch/Reuters

Etwa 1.200 Menschen sind beim sogenannten Al-Kuds-Marsch über den Berliner
Kurfürstendamm gezogen. Damit war die Teilnehmerzahl deutlich niedriger als in den Vorjahren. Zu sehen waren Mütter
mit Kindern, Schilder, auf denen gegen Waffenhandel und die israelische
Besetzung Palästinas protestiert wird, dazu Fahnen Palästinas, des Libanon und
des Iran.

Noch
wenige Minuten vor Beginn der Demonstration versuchten die Organisatoren
vergeblich, eine Auflage der Berliner Versammlungsbehörde aufheben zu lassen:
Fahnen der radikalislamischen Hisbollah, die in Teilen Europas als
Terrororganisation verboten ist, durften bei der Berliner Demonstration nicht
gezeigt werden.

Auf Transparenten wurde ein eigenständiger Staat für die Palästinenser gefordert. “Muslime,
Juden und Christen – Hand in Hand gegen Zionisten”, hieß es auf einem
Schild, “Gerechtigkeit für Palästina” auf einem anderen. Auch
Flaggen der Palästinenser, des Iran sowie Deutschlandfahnen wurden geschwenkt. Einige Teilnehmer riefen “Kindermörder Israel” vor dem Start der Demonstration und wurden von der Polizei verwarnt. “Wir wollen ein Zeichen setzen gegen den Zionismus, nicht gegen das
Judentum”, sagte ein Teilnehmer, der sich selbst Mohammed Ali nannte, einem Reporter der Katholischen Nachrichten-Agentur.

Der Al-Kuds-Marsch wird in Berlin von zwei Gegendemonstrationen begleitet. An der
ersten, von verschiedenen Antifa-Gruppen angemeldeten Demonstration nahmen nach
Polizeiangaben bis zu 400 Menschen teil. Deren Teilnehmer riefen Slogans wie “Lang lebe Israel” sowie “Free Gaza from Hamas”.

Für den Nachmittag hatte ein breites
gesellschaftliches Bündnis zu einer Gegendemonstration und zum solidarischen
Kippa-Tragen aufgerufen. Einige der rund 1.000 Teilnehmer einer Kundgebung auf dem George-Grosz-Platz waren
unter anderem Berlins Innensenator Andreas Geisel (SPD), der
Fraktionsvorsitzende der CDU im Abgeordnetenhaus, Burkhard Dregger, die
Bundestagsabgeordnete Petra Pau (Linke) und der Berliner
Antisemitismusbeauftragte Lorenz Korgel.

Bei
der Kundgebung sprach sich Berlins Innensenator Andreas Geisel (SPD), der eine Kippa
trug, für eine Einstufung aller Teile der Hisbollah als Terrororganisation aus.
Im Gegensatz zu Ländern wie Großbritannien und den Niederlanden gilt in
Deutschland nur der militärische, nicht aber der politische Flügel der
Organisation als Terrororganisation. “Deutschland würde ein eindeutiges
Zeichen setzen, dass Judenhass und Antisemitismus in unserem Land nicht
geduldet werden”, sagte Geisel. “Wir stehen fest an der Seite der Jüdinnen
und Juden, die hier leben und an der Seite Israels.”

Bundestagsvizepräsidentin
Petra Pau (Linke) sagte: “Wenn Antisemiten ihr hassendes Haupt erheben,
ist Widerstand angesagt. Deshalb sind wir hier.” Pau rief zum Widerstand
gegen jede Form des Antisemitismus auf: “Wer das Existenzrecht Israels
infrage stellt, verhöhnt die Opfer des Holocaust und ihre Angehörigen.” Persönlich kritisiere sie die Politik der USA, Israels
“und als Oppositionspolitikerin auch der Bundesregierung. Aber niemand
würde deswegen auf die Idee kommen, das Existenzrecht der USA oder Deutschlands
infrage zu stellen”, sagte Pau. “Bei Israel geschieht das,
und das ist Antisemitismus.”

“Ziel ist die Abschaffung Israels”

Der
Al-Kuds-Marsch ist eine Erfindung des iranischen Revolutionsführers Khomeini aus dem Jahr 1979 und richtet sich gegen den Staat Israel. Al-Quds ist
der arabische Name für Jerusalem. Im Iran ist der Al-Kuds-Tag ein
Feiertag und wird für staatlich organisierte anti-israelische Demonstrationen genutzt. An diesem Tag, der am Ende des muslimischen Fastenmonats Ramadan liegt,
ruft der Iran jedes Jahr zur Eroberung Jerusalems auf. Hintergrund ist
die Besetzung Ost-Jerusalems durch Israel während des Sechstagekrieges 1967.

“Das Ziel
des Kuds-Tag-Marsches ist weiterhin die Abschaffung und Vernichtung
Israels in seiner jetzigen Verfassung als jüdischer Staat”, heißt es in
einer Stellungnahme der Recherche- und Informationsstelle Antisemitismus Berlin
(Rias). Die Veranstaltung biete Teilnehmern Anlass, sich antisemitisch zu
positionieren. Rias
listet Fahnen und T-Shirts mit Symbolen der Hisbollah auf, die bis vor einigen
Jahren beim Al-Kuds-Marsch auf dem Kurfürstendamm zu sehen gewesen
seien. Das sei zwar mittlerweile untersagt, es gebe aber Verstöße. Zudem seien
Fälle der Bedrohung von Gegendemonstranten bekannt. 2018 beteiligten sich den
Angaben zufolge rund 1.200 Menschen am Marsch.

Bayerns Innenminister Joachim Herrmann kritisierte die Al-Kuds-Demonstration:
“Es ist abscheulich, wenn auf Deutschlands Straßen für die Vernichtung
Israels demonstriert wird”, sagte der CSU-Politiker den Zeitungen der Funke Mediengruppe. Leider könne die Al-Kuds-Demonstration nicht verboten
werden, doch dürfe sich solches Gedankengut nie wieder in Deutschland
verbreiten.

Innensenator prüfte ein Verbot der Demonstration

Auch
Berlins Innensenator würde den Marsch gern verbieten:
“Wir geben den Kurfüstendamm ja nicht freiwillig frei”, hatte Geisel der
Jüdischen Allgemeinen gesagt. Geisel verwies auf strenge Auflagen: “Versammlungs-
und Meinungsfreiheit sind Grundrechte in unserem Land.” Deshalb schütze
das Versammlungsrecht auch die, “die für uns nur schwer erträgliche
Ansichten vertreten und auf die Straßen tragen”. Ein mögliches Verbot des
Marsches sei geprüft worden – “denn auch wir vermuten, dass deren
Teilnehmer damit das Existenzrecht Israels infrage stellen wollen”. Dies
werde seit Jahren nicht ausgesprochen, und deswegen gebe es für ein Verbot
nicht genügend Anhaltspunkte.

Der Zentralrat der Juden in Deutschland hatte die Genehmigung des Al-Kuds-Marschs
kritisiert: “Uns ist es unverständlich, dass diese Demo Jahr für Jahr
genehmigt wird.” Bei dieser
islamistischen Propagandaveranstaltung gegen Israel werde für eine
Eroberung Jerusalems und die Vernichtung Israels demonstriert, das
iranische Mullah-Regime werde gepriesen. Es werde nichts anderes transportiert als Antisemitismus und Israel-Hass.

Bundespräsident
Frank-Walter Steinmeier
hatte in einem Telefonat mit dem Präsidenten des
Zentralrats der Juden, Josef Schuster, zum Kampf gegen den
Antisemitismus aufgerufen. “Wir können es nicht hinnehmen, wenn sich Juden
nicht trauen, auf unseren Straßen Kippa zu tragen”, sagte Steinmeier.
“Es ist unsere Bürgerpflicht, Antisemitismus in all seinen Formen zu
bekämpfen.” Es sei eine herausragende Aufgabe des Staates,
“unsere jüdischen Mitbürgerinnen und Mitbürger zu schützen und einzuschreiten,
wo es notwendig ist – auch und gerade bei Demonstrationen und öffentlichen
Veranstaltungen”.

Bundesfamilienministerin
Franziska Giffey forderte im Tagesspiegel mehr
zivilgesellschaftliches Engagement: “Für
Antisemitismus, Ausgrenzung und Hetze gegen Jüdinnen und Juden darf es keinen
Platz geben.” In der Gesellschaft müsse man “antisemitischer
Diskriminierung entgegentreten, laut werden gegen Antisemitismus und Jüdinnen
und Juden zeigen: Wir sind da für euch, wir unterstützen euch.”

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