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Al-Kuds-Marsch: Hetze, Wut und Solidarität

Seit 1996 zieht der teils offen antisemitische Al-Kuds-Marsch durch Berlin. Die Teilnehmer demonstrieren noch am Verbot vorbei, der Gegenprotest ist laut und groß.

Al-Kuds-Marsch: Hetze, Wut und Solidarität


© Robert Rieger für ZEIT ONLINE

Ein heißer Samstag im Berliner Westen, die Sonne knallt aus einem wolkenlosen Himmel auf den Adenauerplatz.
Menschen sitzen in Straßencafés, flanieren über den Ku’damm, vorbei an
anderen Passanten. Und an Polizisten, die in Vierergruppen an allen vier
Straßenkreuzungen stehen.

Es ist 13.30
Uhr, in einer Stunde soll hier eine der umstrittensten Demonstrationen Berlins
losgehen. Seit 1996 zieht der Al-Kuds-Marsch durch die Hauptstadt; eine in Teilen
offen antisemitische Veranstaltung. In der Vergangenheit wurden Parolen wie
“Juden ins Gas” gerufen, vergangenes Jahr gab es Meldungen über geworfene Pflastersteine, verbotene Hisbollah-Fahnen und über einen
Mann, der den Hitlergruß zeigte
. Damals marschierten rund 1.600 Teilnehmer mit, in diesem Jahr rechnet die
Polizei mit 2.000.

“Gegen Zionismus
und Antisemitismus” lautet das Motto der Demonstration, die Organisatoren
nennen sie ein Zeichen der Solidarität mit Palästina. Gegner bezeichnen den
Marsch als “klare antisemitische Hetze”, Berlins Innensenator Andreas Geisel (SPD) als “eine der widerlichsten Kundgebungen” der Stadt.

Kritiker fordern
seit Jahren ein Verbot des Marsches. Doch das, sagte Innensenator Andreas Geisel der Berliner Morgenpost, würde
vermutlich am Verwaltungsgericht scheitern. Stattdessen gibt es strenge
Auflagen: keine brennenden Fahnen, keine israelfeindlichen Parolen, keine
Werbung für die Hisbollah oder ihr nahestehende Organisationen. Dieses Jahr,
heißt es, werden auch Dolmetscher dabei sein, um alles zu überwachen.

Juden seien Freunde, Zionisten eine Sekte

Am Geländer des
U-Bahnhofs Adenauerplatz lehnen drei junge Männer. Ob man ihnen ein paar Fragen stellen kann?
Na klar, sagt Azrael, 20, kurz geschorenes Haar, kräftig gebaut, auf dem
Polohemd das Emblem eines türkischen Moschee-Vereins. Azrael kommt aus
Berlin, ist seit drei Jahren regelmäßig dabei. “Weil wir aufgewacht sind”, sagt
er. Der Staat Israel sei gezielt im Nahen Osten gegründet worden, um
“Zwietracht unter den arabischen Nachbarn” zu säen. Er macht – wie die meisten
Menschen, mit denen man hier spricht – eine Unterscheidung zwischen Zionisten,
also Befürwortern der israelischen Siedlungspolitik auf der einen, und Juden
auf der anderen Seite. Juden seien Freunde, sagt er; Zionisten Mitglieder einer
Sekte. “Ein himmelweiter Unterschied.”

Auch Safaa, 31,
langes schwarzes Gewand und Kopftuch, ist seit ein paar Jahren regelmäßig
dabei. Sie ist aus Salzgitter angereist, ingesamt seien sie zu neunt – ihre
Schwestern, die Töchter und zwei Schüler von ihr sind auch dabei. Sanaa ist
Lehrerin. Warum sie hier ist? Weil Israel kein Existenzrecht habe, sagt sie.
Und erklärt dann, sie halte die Existenz Israels für antisemitisch. “Weil man
den Menschen damit doch sagt: Geht dorthin, wir wollen euch hier nicht.” Die
Juden in Israel sollten in ihre Heimatländer zurückgehen, findet sie. Das gehe
auch ohne Gewalt.

Dann wird es
laut. Von der anderen Straßenseite schallt Musik herüber. Ein Demozug ist vor
einem Absperrgitter zum Stehen gekommen. Etwa 400 Menschen, die meisten
unter 30 Jahre alt; in der Luft Israel-Flaggen, Regenbogenfahnen, das schwarze Konterfei
der Antifa. Es ist die erste von zwei Gegendemonstrationen an diesem Tag.

Auf dem
Mittelstreifen stehen drei Männer Anfang 20, in den Händen ein rotes
Transparent: “Waffen für Israel”. Einer der drei ist Laurin, ein 23-jähriger Jurastudent aus Berlin. “Wenn ein Staat
vom islamistischen Terror bedroht ist”, sagt er, “dann braucht es Waffen, um sich zu
verteidigen.” Die vom Al-Kuds-Marsch propagierte Unterscheidung zwischen Zionisten und Juden nimmt er
ihnen nicht ab. Viele israelkritische Organisationen hätten Verbindungen zu
Organisationen wie der Hamas, sagt Laurin. “Da kann keiner mehr sagen, dass
das keine Antisemiten sind.”

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