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Mauricio Pochettino: Klopps stärkster Gegner

Der maßgebliche Mann von Tottenham Hotspur ist, wie beim Gegner Liverpool, der Trainer. Das spürte man auf der Pressekonferenz einen Tag vor dem großen Champions-League-Finale, am “matchday minus one”, wie es bei der Uefa heißt. Mauricio Pochettino hat vielleicht nicht in Gänze das Charisma seines Gegners Jürgen Klopp. Humor und Coolness besitzt er aber durchaus. Als er gefragt wurde, ob er abgenommen habe, stand er auf, zeigte sich den Journalistinnen und Journalisten im Profil, fasste sich an den Bauch und schüttelte, Bedauern vorspielend, den Kopf.

Wie Jürgen Klopp – oder “Schurgen”, wie er ihn ausspricht – hört man Pochettino mit Gewinn zu. Etwa wenn er über Werte redet. “Der Schlüssel für Kinder, ein guter Fußballer zu werden, ist nicht der Wunsch, später mal vor Millionen Menschen aufzutreten und berühmt und reich zu werden”, sagte er, sondern “zusammen zu spielen und sich zu helfen”. In der Champions League geht es um viel Geld. Wie schön, dass die beiden Trainer das Wesentliche dieses Spiels nicht vergessen haben.

Das Finale von Madrid erzählt die neue Erfolgsstory des englischen Vereinsfußballs. Wie fast alle sechs großen Clubs wird auch Tottenham von seinem Trainer geprägt. Seit einigen Jahren verpflichtet die reiche Premier League nicht nur die besten Spieler sondern auch die besten Trainer der Welt. Sie kommen aus Italien, Spanien, Deutschland oder, wie Argentiniens Ex-Nationalspieler Pochettino, aus Südamerika. England importiert Know-how.

So häufig kamen Teams mindestens in ein Europapokal-Halbfinale

Spanische Vereine kamen in der vergangenen Dekade auf 30 Halbfinalteilnahmen in den beiden europäischen Wettbewerben. England liegt mit 15 Semifinalisten vor Deutschland (11). Jeder Titelgewinn ist mit einem C markiert.

Nicht in der Grafik: Ukraine mit zwei Halbfinalisten sowie Österreich, Schweiz,Türkei mit jeweils einer Teilnahme © ZEIT ONLINE

Erstmals in ihrer Geschichte stehen die notorisch erfolglosen Spurs nun im großen Finale. Dank Mauricio Pochettino, der sie zu einem guten südamerikanisch-englischen Mix mit spanischem Einschlag geformt hat. An diesem Samstag können sie in Madrid gegen Liverpool die Champions League gewinnen, weil ihr Trainer auch mal stärker besetzte Mannschaften schlägt.

Vor zehn Jahren wurde Pochettino als Coach in der spanischen Liga groß, der taktisch besten der Welt. Mit dem abstiegsgefährdeten Team von Espanyol Barcelona hielt er erst die Klasse, entwickelte es stetig weiter und etablierte es im Mittelfeld. Noch heute ist er in Barcelona gerne gesehen.

Der Elf von Tottenham Hotspur brachte er eine höchst funktionale Ordnung mit guter Rollenaufteilung bei. Er zählt auf eine seit Jahren eingespielte Mannschaft ohne die ganz großen Transfers und Stars. Seine besten sind Christian Eriksen, der dänische Spielmacher, Moussa Sissoko, die französische Kraftmaschine, sowie die Engländer Dele Alli und Harry Kane. In die Weltklasse würde man sie kaum einstufen, nach internationalem Standard sind Pochettinos Spieler alles in allem gehobener Durchschnitt. Abgesehen vom WM-Torschützenkönig Kane vielleicht, wobei nicht klar ist, ob er nach seiner langen Verletzung im Finale spielen kann.

Athletik, Physis, Wucht und Kampfgeist

Wie die meisten englischen Teams hat sich Tottenham trotz des taktischen Updates aus dem Ausland britische Tugenden bewahrt: Athletik, Physis, Wucht und Kampfgeist. So unterschreiten die Spurs selten ein bestimmtes Niveau und sind schwer zu schlagen, auch weil sie ein Kollektiv sind, das nie aufgibt: Man denke an den Dreitorerückstand und den Last-Minute-Treffer im Halbfinale in Amsterdam.

Dank ihrer Kopfballstärke sind sie zudem immer für ein einfaches Tor gut, etwa nach Freistößen oder Ecken. Mit einem solchen Treffer warfen sie im Viertelfinale das spielerisch überlegene Team von Manchester City raus. Noch eine Eigenschaft der Marke Old School: Tottenham kann auch weit einwerfen.

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