/David Schalko: “Es geht ans Eingemachte”

David Schalko: “Es geht ans Eingemachte”

DIE ZEIT:
Herr Schalko, kann es sein, dass das Ibiza-Video Herrn Strache langfristig mehr nützt als
schadet? Dass viele seiner Anhänger sagen: Der ist einer von uns, ein lebensschlauer Typ,
der halt Geschäfte machen will, und niederträchtige linke Gesellen haben ihn in eine Falle
gelockt?

David Schalko:
Strache sagt: “Ich tat nichts Falsches, ich war nur zu naiv. Es war eine b’soffene
G’schicht.” Aber das stimmt nicht. Es war in vino veritas. Es war ein scharfer Blick auf die
Macht – nicht auf die Bühne, sondern in den Backstageraum der Macht. Straches politisches
System ist kenntlich geworden, selbst für diejenigen, die es bisher nicht erkannt haben.
Trotzdem hat es der Partei jetzt bei den Europawahlen kaum geschadet. Offenbar hat die
Opferstilisierung einen hohen Identifikationsgrad bei FPÖ-Wählern. In den letzten Tagen
standen ja die Herkunft des Videos und die persönlichen Befindlichkeiten im Vordergrund und
nicht der Inhalt
. Da war eine klare Täter-Opfer-Umkehr spürbar. Gleichzeitig frage ich mich,
ob man einen Respekt vor der Raffinesse derer haben soll, die diese Falle gestellt haben.
Ganz sauber erscheint einem das ja auch nicht.

ZEIT:
Der Germanist Peter von Matt, der über die Intrige als Motiv der Kunst geforscht hat, sagt,
es liege jeder Intrige eine Not zugrunde. Glauben Sie, hinter dem Video stehen
Idealisten?

Schalko:
Eher nicht. Wenn sie sich selbst als Helden empfinden würden, dann hätten sie sich längst
geoutet. Ich habe da eher üble Ahnungen.

ZEIT:
Aber eine gesellschaftliche Not hat das Video schon gelindert, als es herauskam, oder?

Schalko:
Es kam zum richtigen Zeitpunkt, ja. Es fing gerade an, richtig grauslich zu werden. Das,
was da betrunken besprochen wurde, stand kurz vor der Realisierung. Zum Beispiel die
Orbánisierung der Medien. Oder die Aushebelung rechtsstaatlicher Prinzipien.

ZEIT:
Sie haben in Ihren satirischen TV-Serien –
Braunschlag
und
Altes Geld

das Wesen der österreichischen Korruptionsbereitschaft immer wieder bloßgestellt. Erkennen
Sie Züge Ihres eigenen Werks in dem Ibiza-Video?

Schalko:
Ich kriege ständig Mails, in denen steht: Das ist ja von dir, das ist dein Drehbuch. Aber
ich kann Ihnen versichern: Von mir stammt das Video nicht. Und ich wäre auch nicht stolz
darauf. Aber ja, ich kenne das österreichische Polit-Milieu, diese Gier, diese Bereitschaft
zur Korruption. Das alles fing ja nicht mit Strache an. Man braucht nicht besonders viel
Fantasie, um sich diverse FPÖ-Politiker oder auch den früheren Kanzler Gusenbauer in
ähnlichen Situationen vorzustellen. Auch Leuten wie Gerhard Schröder traut man eine ähnliche
Machtobszönität zu. In sehr primitiver Form ist es doch ein Abbild der Verdorbenheit eines
politischen Milieus. Das Video ist vermutlich kein Einzelfall.

ZEIT:
Was ist das Wesen der österreichischen Korruption?

Schalko:
Die Intrige war immer ein Teil der K.-u.-k.-Welt. Sie wurde uns quasi in die Wiege gelegt.
Und in der ÖVP beherrscht man sie bis zur Perfektion. Der Weg zur Macht von Sebastian Kurz
ist ein eindrückliches Beispiel dafür. Es gibt, was das Täuschen, Auflaufenlassen und
Fallenstellen betrifft, eine lange Tradition. Selbst beim Wiener Schmäh handelt es sich
nicht um Humor, sondern um eine Verhandlungstechnik, bei der alles über Bande gespielt
wird.

ZEIT:
Der Humor hat eine strategische Funktion?

Schalko:
Der österreichische Humor ist dazu gedacht, etwas zu kaschieren. Um sich bei etwas nicht
erwischen zu lassen. Der Deutsche versucht immer alles richtig zu machen. Daher braucht er
keinen Humor. Das geht bis hin zum Umgang mit der eigenen Vergangenheit. Der österreichische
Umgang mit der Nazi-Vergangenheit ist mehr als schlampig. Der Österreicher neigt dazu, sich
als Opfer zu gerieren, wo er Täter oder Mittäter war. Im Prinzip macht die FPÖ auch im Falle
Ibiza nichts anderes.

ZEIT:
Wenn Sie die europäischen Korruptionskulturen miteinander vergleichen: Wodurch
unterscheidet sich etwa die österreichische von der italienischen?

Schalko:
Österreichische Korruption ist eine primitive Korruption. In Italien geschieht sie mit mehr
Raffinesse und Witz. In Rom beispielsweise kursiert eine Geschichte über einen Beamten, der
für die Bewilligung von Drehgenehmigungen für Filmteams zuständig war. Für solche
Bewilligungen ist eine Gebühr fällig, und diese Gebühr kann auch mal höher ausfallen. Der
Beamte hat aber den Antragstellern nicht gesagt: Wenn ihr hier einen Film drehen wollt,
müsst ihr mich schmieren. Sondern er hat gesagt: Sehen Sie das Bild, das hinter meinem
Schreibtisch hängt? Ich will es verkaufen. Wie viel wäre es Ihnen wert?

ZEIT:
Und wenn Sie nun die Intrigentechniken der österreichischen Politik betrachten?

Schalko:
Da gibt es natürlich unterschiedliche Intrigenqualitäten. Die der FPÖ ist eine primitive
Technik, sie ist ans Aufschneiden, Einschüchtern, an ein autoritäres Auftreten gebunden. Die
SPÖ stellt sich da auch eher ungeschickt an, wie man an dem Fall Tal Silberstein sehen
konnte. Da ist unser Kanzler, Sebastian Kurz, schon aus anderem Holz geschnitzt. Vermutlich
meint man ausschließlich seine strategische Geschicklichkeit, wenn man ihn als politisches
Talent bezeichnet.

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