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Brexit: Die Auferstehung des Nigel Farage

Nigel Farage beantwortet keine Fragen. Seine Brexit Partei hat zwar mit 31,6 Prozent die Europawahl
gewonnen, sein Foto
ist auf allen Zeitungen des Landes zu sehen. Aber dazu, wie es konkret mit dem
Brexit weitergehen
soll, liefert der Politiker keine Details. Eine in
Westminster hastig von seinen PR-Leuten einberufene Pressekonferenz für die
britischen Medien gleicht eher einem Fotoshooting. Das auf Twitter angekündigte
Livestreaming findet nicht statt. Einer der Veranstalter murmelt, Farage habe
das nicht gewollt.

“Die
Konservativen müssen einen sauberen Brexit liefern, oder sie sind erledigt und
wir haben bei der nächsten Parlamentswahl einen ebenso großen Erfolg”,
prophezeit Farage. “Der Termin am 31. Oktober muss eingehalten werden. Der Tag ist
mindestens so wichtig wie es der 29. März war.” 
Schon jetzt versucht Farage, die Tories auf einen Termin festzunageln,
von dem er weiß, dass sie ihn kaum werden einhalten können. “Ich traue ihnen
nicht”, sagt Farage. “Niemand kann denen mehr trauen.”   

Beantwortet
Farage zumindest die Fragen der britischen Presse? Christopher Hope, der
politische Chefkorrespondent des Daily Telegraph, war der einzige britische Journalist,
der Farage die letzten sechs Tage auf seiner Wahlkampagne begleiten durfte.
Aber auch er beklagt, er habe keine Antworten erhalten, was für Zukunftspläne
Farage hat, wie er den Brexit konkret verhandeln will, was er überhaupt für das
Land wolle. Ein Wahlprogramm hat Farage nicht veröffentlicht. Politische Ziele
sollen sich irgendwie später ergeben, meint er. 

Wählbar für alle Unzufriedenen

Das ist
freilich Strategie. Farage wollte wählbar sein für alle Unzufriedenen des Landes:
für die Eisverkäuferin, die ihren Stand nur 20 Meter von seiner Pressekonferenz
hat und von ihm schwärmt, wie für den
politischen Unterstützer, der zum Fotoshooting mit dem Aston Martin angefahren
kommt.

Farage beschäftigt
sich seit 40 Jahren mit Politik, kämpfte 20 Jahre lang mit der Ukip-Partei für
den Austritt Großbritanniens aus der EU. Er ist seit 1999 EU-Abgeordneter, war
aber nie Abgeordneter des britischen Parlamentes. Er hat Erfahrung. Seine
PR-Berater auch. 

Er ist nicht
mehr der bierlaunige Populist, der 2016 das Volk mit ausländerfeindlichen
Parolen zum Brexit aufhetzte. Er will mit seiner ehemaligen Partei, die er
im Dezember 2018 verließ, weil Ukip den Rechtsextremen Tommy Robinson als
Berater akzeptierte, nichts mehr zu tun haben, hat die meisten Wähler von dort
zur Brexit Partei abgezogen.

Der 55
Jahre alte Vater von vier Kindern ist schlanker als früher, trägt nicht
mehr Tweed, sondern dunkelblauen Anzug, gibt sich höflich. In seiner
LBC-Hörfunksendung behandelt er jeden Anrufer mit Fairness und Respekt. Seine
Wähler finden es “echt toll, Nige”, dass
sich unter den Europaabgeordneten der Partei christliche,
muslimische und jüdische Parlamentarier befinden, schwarze und weiße
Abgeordnete, Kommunisten und ehemalige Ukip-Mitglieder: ein Unternehmer mit einem Fischhandel, ein
Sportjournalist, die ehemalige Pressesprecherin der Ukip-Partei, ein reicher
Immobilienhändler, der Chef der PR-Kampagne Leave means Leave, ein dänischer
Zahnarzt und die jüngere Schwester von Jacob Rees-Mogg, Annunziata Rees-Mogg.
Sie hat zwei Parlamentswahlen bei den Konservativen verloren und war die
letzten acht Jahre Hausfrau und Mutter. “Aber die Armut auf unseren Straßen ist so
furchtbar, die Situation der Menschen so schlecht,” sagte sie im Wahlkampf, “dass
ich deshalb für unsere Demokratie kämpfen muss”.

Man
sollte annehmen, dass sich Farage den Tag nach der Wahl zumindest in seiner
einstündigen Hörfunksendung bei LBC zu seinen Plänen äußert. Aber geschickt
lenkt Farage das Gespräch der Anrufer im Studio immer wieder darauf, wie
schlecht die anderen Parteien abgeschnitten haben. Ende Oktober müsse es
einen “sauberen” Brexit geben. 

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