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Weltmächte: Europa muss zusehen, wo es bleibt

Es
steht sehr dahin, ob das Ergebnis der Europawahlen der Europäischen Union aus
ihrer Dauerkrise heraushilft. Das Brexit-Problem ist nicht ausgestanden und die Populisten werden die Kräftebalance im Straßburger Parlament verändern. Die nächsten Monate wird
das Gezerre um Posten und Politiken, so muss man befürchten, die überfällige
strategische Neuausrichtung der EU auf die heraufdämmernde neue Weltordnung
weiter verzögern.

In
dieser neuen Weltordnung wird das Verhältnis zwischen der etablierten
Weltvormacht USA und der aufsteigenden Weltmacht China ein bestimmendes, wenn
nicht gar das bestimmende Moment
sein. Europa wird sich schleunigst darauf einstellen müssen. Wenn es nicht zu
einer weltpolitischen Randerscheinung werden will, braucht es eine einheitliche
Politik gegenüber Washington wie gegenüber Peking. Und es darf sich nicht
länger der Einsicht verschließen, dass sich zwischen Amerikanern und Chinesen
ein neuer Kalter Krieg anbahnt.

Es
ist eine ganz neue Art von Kaltem Krieg. Er spielt sich weniger auf dem
militärischen Feld ab, obwohl es auch dort – etwa im Südchinesischen Meer –
eine direkte Konfrontation gibt. Vor allem jedoch geht es um technologische
Konkurrenz. Wer wird auf dem wirtschaftlichen Feld Weltführungsmacht? Wird es
China mit Xi Jinpings gigantischem Aufholprogramm “Made in China 2025”, das
zehn Schlüsselindustrien bis Mitte des nächsten Jahrzehnts an die Weltspitze
hieven soll, wobei der Staat den künftigen global
champions
mit Fördergeldern in Höhe von vielen hundert Milliarden Dollar
unter die Arme greift? Oder bleibt es doch Amerika, wo Donald Trump, seit er
ins Weiße Haus einzog, mit einem wirtschaftlichen Showdown liebäugelt?

Eine Katastrophe für Huawei

“China
ist nicht unser Freund”, ist schon seit Langem seine Ansicht. “Es stiehlt unsere
Arbeitsplätze, es treibt eine Abrissbirne durch unsere Industrie und kupfert in
Schallgeschwindigkeit unsere Technologie ab.” In der Verhängung von hohen
Einfuhrzöllen sieht er den wichtigsten Hebel, um China zur Einsicht zu bringen.
Vor einem Handelskrieg scheut er nicht zurück. Er sagt: “Handelskriege sind gut
und leicht zu gewinnen.”

Zunächst
ging es Trump wohl nur darum, eine Art ebenes Spielfeld herzustellen, China also
dazu zu bringen, seinen Markt weiter für Investitionen zu öffnen, den
zwangsweisen Technologietransfer aufzuheben und die Respektierung des
intellektuellen Eigentums durchzusetzen – alles Ziele übrigens, die auch die
Europäer anstreben. Allerdings halten sie nichts von der Strafzollmanie des
US-Präsidenten; sie wollen die bestehenden Probleme kooperativ angehen, nicht
konfrontativ. Inzwischen sieht es freilich so aus, als wolle Washington nicht
bloß ein ebenes Spielfeld, sondern nichts weniger als Pekings Kapitulation:
letztlich seinen Verzicht auf Modernisierung.

Nicht
nur hat Trump inzwischen Strafzölle von 25 Prozent auf chinesische Einfuhrgüter
im Wert von rund 250 Milliarden Dollar verhängt. Zugleich wies er seinen
Unterhändler Robert Lighthizer an, denselben Zollaufschlag auf den Rest der
Einfuhrgüter zu erheben, weitere 300 Milliarden also. Und in der vorigen Woche
hat er Huawei – den zweitgrößten Hersteller von Smartphones in der Welt, der
letztes Jahr für 200 Milliarden Dollar Smartphones ins Ausland lieferte –
auf eine schwarze Liste gesetzt. Nach 90 Tagen Gnadenfrist müssen alle
amerikanischen Unternehmen die Geschäftsbeziehungen mit Huawei abbrechen; und
auch die Unternehmer aller anderen Länder werden aufgefordert, Huawei zu
schneiden und es keineswegs am Aufbau des 5G-Netzwerks zu beteiligen. Es sei
ein Sicherheitsrisiko; wie alle chinesischen Unternehmen sei es gesetzlich
verpflichtet, den chinesischen Geheimdiensten Zugang zu allen Daten zu
gewähren.

Für
Huawei ist dies eine ziemliche Katastrophe. Es ist nach wie vor abhängig von
der Lieferung amerikanischer Mikrochips; 2018 zahlte China für importierte
Chips 300 Milliarden Dollar, mehr als für seine Erdöleinfuhr. Huaweis eigene
Chipentwicklung dauert noch an. Ein ähnliches Embargo hatte vor einem Jahr den
Telekomausrüster und Smartphoneproduzenten ZTE fast in den Ruin getrieben; Xi Jinping bewirkte jedoch telefonisch bei Trump eine Rücknahme der
Strafmaßnahmen.

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