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VfB Stuttgart : Der Altherrenverein

Der Preis für die sinnloseste Aktion der Fußballsaison geht, wie könnte es anders sein, an einen Stuttgarter. Der Stürmer Nicolás González stellte sich beim Freistoß vor den Tormann des Gegners, obwohl jeder Zehnjährige weiß, dass das Abseits ist. Der Schuss im Abstiegsspiel in Berlin ging rein, aber das Tor zählte natürlich nicht. So verhinderte der Argentinier die Führung, womöglich den Sieg und damit den Klassenerhalt des VfB.

In der Rubrik Pleiten, Pech und Pannen knapp dahinter dürfte der Zusammenstoß der Stuttgarter Innenverteidiger Holger Badstuber und Ozan Kabak im selben Spiel landen. In einer eigentlich harmlosen Situation kam es zu einem Missverständnis, dann lagen beide minutenlang blutend auf dem Rasen. Fortan trugen sie Kopfverbände. Der VfB Stuttgart, der Patient der Bundesliga.

Führungslos, orientierungsarm, ohne Ideen, ohne gute zumindest – so präsentierte sich der VfB Stuttgart oft in dieser Saison, auch bei den entscheidenden Spielen gegen Union Berlin. Nun steigt einer der großen und reichen Vereine Deutschlands ab, zum zweiten Mal innerhalb von drei Jahren. Weil es fast nirgendwo stimmt.

Quizfrage: Wie viele Spieler, die beim VfB ausgebildet wurden, waren beim 2:1 der Nationalmannschaft gegen Schweden vor einem Jahr dabei, dem letzten deutschen Sieg bei einer WM? Antwort: nicht weniger als fünf, namentlich Joshua Kimmich, Mario Gomez, Timo Werner, Sebastian Rudy und Antonio Rüdiger. Sami Khedira saß noch auf der Bank, neben Joachim Löw und den Co-Trainern Thomas Schneider und Marcus Sorg, die ebenfalls einen Stuttgarthintergrund haben. Kein anderer Verein kann da mithalten.

Ein großmündiger Sportchef

Fünfmal war der VfB Meister, zweimal stand er im Europapokalfinale. Zudem ist Stuttgart die Hauptstadt eines der wirtschaftsstärksten Bundesländer, Unternehmen wie Daimler, Porsche und Bosch haben dort ihren Sitz. Geld hat der VfB, er zahlt mitunter bessere Gehälter als die TSG Hoffenheim. Auch die Fans sind eine Art Kapital. Im Vorjahr besuchten im Schnitt mehr als 56.000 Zuschauerinnen und Zuschauer die Heimspiele. Platz 12 in Europa. Dieses Jahr waren es nicht viel weniger.

Die Rahmenbedingungen sind sehr gut, aber ansonsten gibt es Fehler in allen Teilen. Da wäre die Mannschaft. Der VfB war immer dann gut, wenn viele Fußballer in seinen Reihen standen, die aus der Region stammten und beim VfB ausgebildet wurden. Am besten junge, wie beim letzten Titelgewinn 2007. Heute spielt die Ersatzbank der Nationalmannschaft von 2011 für den VfB. Im Kader stehen Dennis Aogo, Andreas Beck, Gonzalo Castro, Mario Gomez und Christian Gentner, alle Mitte der Achtziger geboren, dazu Holger Badstuber, einst Nationalspieler, aber nach vielen Verletzungen langsam geworden. Mit einem solchen Team ist Dauerpressing eher schwierig.

Das richtet den Blick auf die Kaderplanung und macht Michael Reschke zu einem der Hauptverantwortlichen des Abstiegs. Er sagte vor der Saison: “Ich lege mich jetzt schon fest: Wir werden nicht absteigen. Wir werden auch nicht groß in den Abstiegskampf geraten.” Reschke ließ sich von der glücklich verlaufenen Rückrunde der Vorsaison, die mit einem 4:1 in München endete, zu großen Worten verleiten. Er durfte viel Geld ausgeben, selbst noch in der Winterpause, doch kaum einer seiner Transfers stach. Inzwischen ist der Sportchef entlassen.

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