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Rechte Künstler: Die dritte Option der Kunstfreiheit

Rechte Künstler: Es gibt nicht nur die beiden einander gegenüber stehenden Positionen zur Kunstfreiheit. In der Mitte ist Raum zur Ausgestaltung. Auf dem Foto: die Installation "Building Bridges" von Lorenzo Quinn bei der Venedig-Biennale

Es gibt nicht nur die beiden einander gegenüberstehenden Positionen zur Kunstfreiheit. In der Mitte ist Raum zur Ausgestaltung. Auf dem Foto: die Installation “Building Bridges” von Lorenzo Quinn auf der Biennale in Venedig.
© David M. Benett/Dave Benett/Getty Images

Der Kunsthistoriker Wolfgang Ullrich stellte an dieser Stelle kürzlich eine
paradoxe Entwicklung fest: Es träten vermehrt rechts gesinnte Künstler auf, die die Freiheit der Kunst verteidigen wollten. “Die Kunstautonomie,
zwei Jahrhunderte lang das Ideal gerade linker und liberaler Milieus, wechselt
die Seiten”, denn sie wird “von links mit Misstrauen belegt und von rechts
adoptiert”, schreibt Ullrich. Es schließt sich die Frage an, ob die Kunstfreiheit nur in dieser Rechts-Links-Dichotomie darstellbar ist, oder ob es nicht auch noch eine andere Alternative gäbe. Dazu ein kleiner Exkurs:

Ullrich spricht von einer “langen Tradition von Schiller
bis Adorno”, die jetzt auf dem Spiel stehe; aufschlussreich ist aber auch der
tiefe Bruch, der zwischen diesen beiden Freiheitskonzeptionen liegt. Für
Schiller lag die Freiheit der Kunst in ihrer Unabhängigkeit gegenüber jeder
Bevormundung durch Moral, Politik und Religion. Es handelt sich
hier um ein klassisch vormodernes Autonomieverständnis, das am Ende des 18.
Jahrhunderts noch tief im traditionellen Selbstverständnis der Künste
verwurzelt war. Die Kunstfreiheit blieb für Schiller mithin eine Gedankenfreiheit für die schönen Künste.

Adorno hingegen hatte bereits den Schock der ästhetischen Moderne
verarbeitet, den etwa der Kubismus und der Expressionismus hinterlassen hatten.
Verstörend war für seine Zeitgenossen vor allem, dass die moderne Kunst Anfang
des 20. Jahrhunderts nicht mehr im klassischen Sinne schön oder im romantischen
Sinne erhaben sein wollte. Mit dieser Zurückweisung der klassisch romantischen Schönheitsideale
folgte die Kunst einem Autonomieverständnis, das mit dem von Schiller nicht
mehr im Einklang stand. Die moderne Kunst wurde damit frei, sich gegen ihre eigene
Tradition zu wenden und alle Annahmen darüber, was Kunst eigentlich ist, zu
negieren. Sie ging damit selbst noch über Adornos Ästhetik der klassischen
Moderne hinaus.

Konservative Künstler werden nichts an Konzeptkunst finden

Die schöne Kunst stand in einem Traditionskontinuum,
die moderne Kunst entsteht aus einem Traditionsbruch. Hat man diese Differenz
im klassischen und im modernen Autonomieverständnis im Blick, dann ist es auch
kein Widerspruch mehr, dass “rechtsautonome” Maler die Freiheit der Kunst
verteidigen und gleichzeitig politisch unverdächtige Landschaftsbilder und
Stillleben malen. Sie berufen sich in der Regel auf ein klassisches Autonomieverständnis,
das sich auch gegen “Picasso-Freaks” richten kann.

Wenn Wolfgang Ullrich also fragt, ob die Idee der
Kunstautonomie “nicht auch anders gedacht werden könne” und ob es eine gute
Idee sei, dass man sie “den Rechten einfach überlässt”, dann könnte man sich
auf dieses moderne Autonomieverständnis berufen. Konservative Künstler – die eine
politisch rechte Gesinnung haben können, aber nicht zwangsläufig haben müssen –
können sich gegen jede Form von politischer Bevormundung und Moralisierung stellen,
aber sie werden normalerweise in den Readymades oder in der Konzeptkunst keinen
Zugewinn an künstlerischer Freiheit sehen. Wer kulturkonservativ gestimmt ist,
sieht in den Grenzüberschreitungen der modernen Kunst eher eine
Verfallserscheinung als eine gesteigerte Form von Freiheit und Autonomie.

Die Kunst kann sich heute im Prinzip in allen nur
denkbaren Stilrichtungen und Ismen ausdrücken. Sie kann schön oder hässlich,
figurativ oder abstrakt sein, sie kann ästhetisch oder anästhetisch in
Erscheinung treten, sie kann einen Personalstil entwickeln oder einem postmodernen
Stilpluralismus folgen. Die vielen Grenzüberschreitungen der Avantgarde haben letztlich
dazu geführt, dass alle jemals formulierten Grenzen der Kunst sowohl in die
eine als auch in die andere Richtung gekreuzt werden können. Es ist diese
anspruchsvolle Form der Kunstfreiheit, die von den kulturkonservativen Milieus
weitgehend abgelehnt wird.

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