/Ägypten: Human Rights Watch beklagt Menschenrechtsverstöße auf dem Sinai

Ägypten: Human Rights Watch beklagt Menschenrechtsverstöße auf dem Sinai

Die Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch (HRW) hat den ägyptischen Sicherheitskräften schwere Verstöße bei ihrem Antiterrorkampf auf der Sinai-Halbinsel vorgeworfen. Statt die Menschen auf dem Sinai bei ihrem Kampf gegen Milizen zu schützen, zeigten die ägyptischen Sicherheitskräfte völlige Verachtung Menschenleben gegenüber, sagte der stellvertretende Nahostdirektor von Human Rights Watch, Michael Page.

HRW dokumentierte in den vergangenen zwei Jahren unter anderem Folter, willkürliche Verhaftungen – auch von Kindern – sowie außergerichtliche Tötungen. Hinzu kommen kollektive Bestrafungen, Zwangsräumungen, Verschwinden von
Personen und womöglich illegale Luft- und Bodenattacken. Einige Verstöße kommen demnach Kriegsverbrechen gleich.

“Das ist ein nationaler bewaffneter Konflikt”

In ihrem Bericht beruft sich Human Rights Watch auf die Aussagen von 54 Bewohnern des
nördlichen Sinais zwischen 2016 und 2018. Auch Aktivisten,
Journalisten und zwei ehemalige Offiziere der Armee wurden demnach befragt. Die Menschenrechtsorganisation hat nach eigenen Angaben auch offizielle
Erklärungen, Social-Media-Posts und Medienberichte ausgewertet. Um die
Zerstörung von Wohngebäuden zu belegen und geheime Hafteinrichtungen des
Militärs zu identifizieren, wurden Satellitenfotos herangezogen.

Der Norden der Sinai-Halbinsel wird immer wieder von Gewalt zwischen Armee und bewaffneten Gruppen erschüttert. Unter anderem ist dort ein Ableger der Terrormiliz “Islamischer Staat” (IS) aktiv. Regelmäßig kommt es zu Anschlägen, Schusswechseln und Razzien durch Polizei und Militär.

Nach Einschätzung der Menschenrechtsorganisation handelt es sich inzwischen um einen nationalen bewaffneten Konflikt. HRW zufolge wurden zwischen 2014 und Juni 2018 mehr als 3.000 mutmaßliche Islamisten und mehr als 1.200 Sicherheitskräfte bei Kämpfen getötet. Demnach gab es mehr als 12.000 Verhaftungen, wovon einige willkürlich Festgenommene wegen Misshandlungen und mangelnder medizinischer Versorgung gestorben sein sollen.

Weckruf an Frankreich und die USA

Die ägyptischen Behörden wiesen die Vorwürfe zurück. Mohammed
Abdul Fadil Schuscha, Gouverneur des Nord-Sinai, bestritt jegliche
Menschenrechtsverletzungen. Für die Regierung in Kairo sind die Maßnahmen ohnehin notwendige Sicherheitsvorkehrungen im Kampf gegen militante
Islamisten. Seit der Ausrufung eines landesweiten Ausnahmezustands im April 2017 haben Polizei und Militär umfassende Vollmachten im Umgang mit Verdächtigen.

Eine unabhängige Prüfung des Geschehens vor Ort ist kaum möglich, der Zugang zum Norden der Halbinsel ist seit Jahren eingeschränkt.

Der stellvertretende HRW-Nahostdirektor Page sieht nun vor allem die westlichen Unterstützer der ägyptischen Regierung in der Pflicht. “Die grausame Behandlung der Bewohner des Sinai sollte ein weiterer Weckruf an Staaten wie die USA und Frankreich sein, die Ägyptens Antiterrormaßnahmen blindlings unterstützen”, sagte Page. In ihrem Bericht fordert die Menschenrechtsorganisation die USA und die Europäische Union dazu auf, jede militärische Unterstützung der ägyptischen Regierung einzustellen. Erst wenn es genug Beweise für ein Ende der Menschenrechtsverletzungen gibt, solle die Zusammenarbeit wiederaufgenommen werden.

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