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USA: Zu wenig Lobby für die Mittellosen

Oft ist keine Katastrophe nötig – schon eine hohe Arztrechnung oder eine kostspielige Autoreparatur können das Leben vieler US-Amerikaner aus der Bahn werfen. Fast vier von zehn US-Bürgern können aus eigener Kraft keine unerwartete Rechnung in Höhe von 400 Dollar zahlen. Zu diesem Schluss kommt eine neue Studie der US-Zentralbank Federal Reserve (Fed). 27 Prozent der Befragten müssten sich Geld borgen oder Besitztümer verkaufen, zwölf Prozent könnten den Betrag auch dann nicht aufbringen. 17 Prozent wussten zum Zeitpunkt des Interviews schon, dass sie am Monatsende ihre Rechnungen nicht komplett würden zahlen können.

Diese Zahlen der Fed beschreiben nüchtern die harte soziale Realität in den Vereinigten Staaten. Eine Realität – so zeigt die Studie –, die für Schwarze und Hispanics besonders düster aussieht.

In den Medien und in der Tagespolitik fand das Thema bislang kaum Resonanz. Dabei könnte die Bestandsaufnahme der Fed den Demokraten eine Vorlage für den Wahlkampf gegen Donald Trump liefern. Der US-Präsident brüstet sich seit seinem Amtsantritt mit den guten Wirtschaftsdaten. Doch die Studie zeigt, dass die sozialen Verwerfungen trotz des Wirtschaftswachstums noch immer groß sind. Neben Zahlen zu Einkommen und Arbeitsverhältnissen beleuchtet die Fed-Studie auch Schulden und Lücken bei der Altersvorsorge. Die Ergebnisse machen vielfältige Probleme deutlich.

Seit 40 Jahren stagniert die Kaufkraft

Da wären zunächst die Löhne. Laut einer im Sommer 2018 erschienenen Studie des Pew Research Center stagniert die inflationsbereinigte Kaufkraft für US-Arbeitnehmer seit 40 Jahren. Vor allem Geringverdiener sind in den vergangenen Jahrzehnten leer ausgegangen. Der bundesweite Mindestlohn ist seit 2007 nicht mehr gestiegen und liegt bei nur 7,25 Dollar. Wer so wenig verdient, kann nichts zurücklegen, auch nicht 400 Dollar für eine unvorhersehbare Ausgabe – oder für die Altersvorsorge. Auch dort zeichnet die Studie ein verheerendes Bild. Ein Viertel der US-Amerikaner hat keine privaten Pensionsrücklagen. Ein deutlich höherer Mindestlohn könnte helfen.

Das sehen offenbar auch die Demokraten und Demokratinnen so. Während sie mit ihrer moderaten Kandidatin Hillary Clinton das Thema 2016 noch weitgehend umschifften, gehört die Erhöhung des nationalen Mindestlohns auf 15 Dollar mittlerweile zu den Standardforderungen der meisten demokratischen Präsidentschaftskandidaten. Auch ein Gesetzesentwurf im Repräsentantenhaus dazu liegt vor. Gerade in trumptreuen Bundesstaaten verdienen überdurchschnittlich viele Wähler weniger als 15 Dollar. Mit dieser Forderung könnten die Demokraten den US-Präsidenten unter Druck setzen, der sich seit seinem Amtsantritt nicht mehr zu dem Thema geäußert hat.

Doch auch ein weitreichender Ausbau der staatlichen Altersvorsorge Social Security wäre notwendig, um Menschen eine stabile Rente zu ermöglichen, die Altersarmut verhindert. 9,2 Prozent der über 65-Jährigen leben trotz Social Security unterhalb der Armutsgrenze des Bundes.

Bisher haben die meisten demokratischen Kandidaten das Thema jedoch ausgespart. Lediglich der Parteilinke Bernie Sanders hat im Falle seines Wahlsiegs eine Ausweitung der staatlichen Rentenversicherung angekündigt und will die Beitragsbemessungsgrenze erhöhen. Während Arbeitnehmer bisher nur auf die ersten knapp 133.000 Dollar ihres Jahreseinkommens Rentenversicherungsbeiträge abführen müssen, sollen laut Sanders’ Plan Einkommen bis 250.000 Dollar einbezogen werden. Gutverdiener müssten sich stärker als bisher an der Finanzierung von Social Security beteiligen.

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