/Wahl in Europa: Das Parlament könnte der Verlierer sein

Wahl in Europa: Das Parlament könnte der Verlierer sein

Wie viel Macht haben die europäischen Volksvertreter? Aus Anlass der laufenden Europawahl argumentiert Andreas Maurer, Professor für Europäische Integration in Innsbruck, dass das Parlament sogar an Einfluss verlieren könnte.

Die Reden und Kommentare, in
denen Politikerinnen und Politiker die geringe Beteiligung bei den Europawahlen
bedauern, liegen wahrscheinlich schon in den Schubladen bereit. Die Wahlkämpfe
sind flau, weitgehend inhaltsleer und auf nationale Themen fokussiert. Rechtsextreme
Parteien profitieren
von dieser Konstellation, indem sie naiv-populistische
Steilvorlagen der selbsterklärten Mitte-Parteien – “1000 Gesetze abschaffen”
(Manfred Weber), “EU-Regelungswahnsinn abstellen” (Sebastian Kurz) – dankbar aufnehmen
und im aggressiveren Ton abspulen.

Die Krokodilstränen, die nach den
Wahlen vergossen werden, sind so vorhersehbar wie hausgemacht. Der
wahrscheinliche Zugewinn der rechtsextremen Parteien ist Folge unterschiedlicher
Wählermobilisierung: Wenn die proeuropäische Sozial- und Christdemokratie
keinen spürbar auf Gestaltungsmacht angelegten Wahlkampf führt, rechtsextreme
und antieuropäische Gruppierungen dagegen große Teile ihrer Wählerschaft
mobilisieren können, verwundert es nicht, dass die Mitte voraussichtlich um
die 100 Sitze verlieren wird und die Antieuropäer mit gut 100 Sitzen im
Parlament vertreten sein werden.

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© Foto: Reuters / Sven Wolters

Die Europawahlen bleiben bis auf Weiteres zusammengesetzte nationale Wahlen. Und dabei geht es doch um das
einzige, direkt gewählte, supranationale Parlament weltweit. Mit autonomen Kontroll-,
Haushalts- und Gesetzgebungsbefugnissen, die teilweise weit über das
hinausgehen, was in den Parlamenten der Mitgliedstaaten praktiziert wird.

Das Europäische Parlament operiert
nicht nur formal, sondern auch faktisch unabhängig von den Exekutiven. Das ist
jetzt Vorteil und Nachteil zugleich.

Zum einen hat die EU gar keine
zentrale Regierung, die sich auf eine ständige eigene Mehrheit im Parlament
stützen müsste. Kommission und Ministerrat sind so unabhängig vom Parlament,
dass umgekehrt auch das Parlament viel unabhängiger ist als beispielsweise die
Koalitionsfraktionen im Bundestag von der Bundesregierung.

Das heißt aber auch, dass die
europäischen Wähler eben nicht so unmittelbar über die europäische Regierung aus Kommission und Ministerrat
entscheiden, wie die nationalen Wähler über ihre Regierung. Zwar soll das Modell
der Spitzenkandidaten dazu dienen soll, die Verbindung zwischen Europawahl,
Parlament, Parlamentsmehrheit und Kommission herzustellen. Aber der
Kommissionschef muss von Parlament und Europäischem Rat mit Mehrheit
bestätigt werden, Gleiches gilt für die im Anschluss an diesen Schritt
stattfindende Wahl des weiteren Kommissionskollegiums.

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