/Rücktritt von Theresa May: Vom Brexit überfordert

Rücktritt von Theresa May: Vom Brexit überfordert

Theresa May hat alles versucht, aber nur wenig erreicht. Mit ihrem wichtigsten Ziel,
den Brexit umzusetzen, ist die britische Premierministerin komplett gescheitert. Aber sie trägt nicht die alleinige Verantwortung für das Desaster.
Der Brexit hat die gesamte britische Politik überfordert.

Nach der Volksabstimmung im Sommer 2016 versprach May eine “starke
und stabile” Regierung. Das Ergebnis: In ihrer relativ kurzen Amtszeit
sind
36 Minister und Staatssekretäre zurückgetreten. Eine Partei- und
Kabinettsdisziplin existiert längst nicht mehr, ihre Autorität als
Premierministern
ist stetig erodiert. May wollte die internen Machtkämpfe und
Streitereien
dieser “nasty party“, wie sie die Tories einmal nannte, beenden. Heute
ist die Stimmung in der Partei vergifteter als jemals zuvor, Ideologen geben
die Richtung vor. Moderate EU-Anhänger werden aus der Partei gejagt, als
Abgeordnete abgesetzt und angefeindet. Und eine klare Strategie für einen EU-Austritt existiert noch immer nicht.

May
wollte die Ungerechtigkeiten in der Gesellschaft reduzieren, den Bruch im Volk zwischen
Brexit-Verfechtern und EU-Anhängern kitten – nichts davon ist gelungen. Stattdessen hat Nigel Farage eine Partei am rechten Rand
aufgebaut. Die redet dem Volk ein, dass die herrschende politische Elite die
Demokratie und das Volk verraten habe – Wut und Hass somit gerechtfertigt
seien. Bei der Europawahl wird seine Brexit-Partei auf über 30 Prozent kommen,
die Tories dagegen auf unter zehn Prozent abstürzen.

Großbritannien – Abschied unter Tränen
Sichtlich bewegt hat die britische Premierministerin Theresa May ihren Rücktritt als Chefin der Tories für den 7. Juni angekündigt. Ein Ausschnitt aus ihrer Rede
© Foto: Leon Neal / Getty Images

Insgesamt
17 Parteimitglieder haben bereits ihre Kandidatur für den Parteivorsitz und in der
Folge für das Amt des Premierministers angekündigt. Sie alle wollen die Macht,
unabhängig davon, ob sie mit dieser Macht etwas anfangen können. Der EU-Austritt
hat die britische Gesellschaft tief gespalten und zu einer politischen Blockade
geführt. Es ist nicht absehbar, wie ein neuer Premierminister oder eine
neue Premierministerin mit diesem Fiasko fertig werden will. Für die meisten Politiker – inklusive Theresa
May – waren bislang parteipolitische Interessen wichtiger als das Wohl des
gesamten Landes.

Es fehlt der Wille zum Kompromiss

Dabei hatte die
Premierministerin mit den britischen Ministerialbeamten hervorragende
Fachleute. Diese wären durchaus in der Lage gewesen, einen guten
EU-Austrittsvertrag auszuhandeln, wären da nicht die grotesken
Maximalforderungen der Hardliner der Konservativen Partei: Raus aus dem
Binnenmarkt und der Zollunion, trotzdem aber reibungslosen Grenzverkehr mit der
EU und eine grüne Grenze zwischen der Republik Irland und Nordirland. Das
Produkt war ein kompliziertes Vertragswerk, das niemandem gefiel. Nicht, weil
der Austrittsvertrag nicht umsetzbar gewesen wäre, sondern weil weite
Teile des Kabinetts und des Parlaments auf ihren Maximalforderungen beharrten. Die für einen Brexit notwendige Kompromissbereitschaft hat es im britischen Parlament nie gegeben.

May hat es aber auch versäumt, der politischen Mitte Argumente zu liefern, Brücken zu bauen. Immer wieder
auswendig gelernte Phrasen zu wiederholen, reicht nicht. Es hätte es einen
Premierminister oder eine Premierministerin gebraucht, die dem Volk frühzeitig erklärt,
dass der Platz Großbritanniens an der Seite der EU ist und nicht im Nirgendwo
im Atlantik zu suchen sei. Großbritannien hätte einen Premierminister haben
müssen, der es mit der Überheblichkeit eines Jacob Rees-Mogg aufnehmen kann und
Populisten wie Boris Johnson in die Schranken weist. Eine äußerst schwierige Aufgabe, an der May gescheitert ist.

Derzeit
sieht es nicht so aus, als ob die britischen Tories aus diesen Fehlern lernen:
Die 120.000 Parteimitglieder werden wahrscheinlich einen Brexit-Hardliner an
die Spitze wählen. Nur was soll es bringen? Nigel Farage Brexit-Populismus
hinterherzurennen wird die Krise der Partei und des ganzen Landes nicht
beenden, sondern eher noch vergrößern. Für diese Politik gibt es keine Mehrheit
im Parlament und auch nicht in der Gesellschaft. 

Der
Brexit wird erst gelöst, wenn die britische Politik und Gesellschaft einsehen, dass
jetzt Pragmatismus gefragt ist. “Vergesst nicht – das Wort Kompromiss ist kein
schlechtes Wort”, sagte Theresa May in ihrer Rücktrittserklärung. Auch der
nächste Premierminister oder Premierministerin wird scheitern, wenn diese Worte
nicht endlich beherzigt werden.

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