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Barcelona: Frans ist auch dabei

Beim Wahlkampf in Barcelona haben die Organisatoren des Merchandisings Diplomatie walten lassen. Die Papierfächer, die auf den Stühlen im Hinterhof einer ehemaligen Textilfabrik liegen, sind auf der einen Seite rot wie die sozialistische Partei PSOE, auf der andern europablau. Und doch ist die Europawahl zweitrangig an diesem Maitag: Am Rednerpult prangt klein der Schriftzug Fem Collboni Alcalde, “Lasst uns Collboni zum Bürgermeister machen”, dahinter
zwei große Plakatwände mit dem Konterfei des Kandidaten.

Es ist wieder einmal
Wahlkampf in Spanien, ein doppelter dazu. Denn am Sonntag wird in dem südeuropäischen Land nicht nur über
ein neues Europaparlament abgestimmt
, sondern auch über den Vorsitz in allen
8.093 spanischen Kommunen und in 12 der 19 autonomen Gemeinschaften. In einem Land, das um seine nationale Identität ringt, und in Katalonien, dessen Regionalregierung nach Unabhängigkeit strebt, sind die lokalen Wahlen ein großes Thema.

Der Super-Wahlsonntag ist daher auch Strategie. Er soll die
niedrige Wahlbeteiligung der Europawahlen von zuletzt 43,8 Prozent in Spanien
in die Höhe treiben. Europaweit lag der Durchschnitt damals noch etwas niedriger, bei 42,6 Prozent.
Kein Wunder also, dass man auch anderswo die Wahlkalender koordiniert. In Belgien
wird am Sonntag das Parlament, im italienischen Piemont das Regionalparlament
und in Deutschland in elf Bundesländern die Bürgermeister beziehungsweise Landräte neu gewählt.

Nationalpolitik schlägt Europapolitik

Zum Wahlkampfendspurt ist die Politprominenz nach Barcelona gekommen. Pedro Sánchez, Chef der PSOE und frisch gekürter spanischer Premier, tritt auf der Wahlkampfveranstaltung der Sozialisten in der Textilfabrik auf, auch Frans Timmermans, der Spitzenkandidat der europäischen
Sozialisten auf das Amt des EU-Kommissionschefs
, ist eingeladen. Eigentlich müsste der Fokus auf ihm liegen: Es ist das zweite Mal in der Geschichte der EU, dass die
europäischen Parteien ihre länderübergreifenden Kandidaten und Bewerber auf das wichtigste Amt in der Europäischen Union durch Europa touren lassen.

Das soll nicht nur die Wahl des Kommissionschefs aufwerten, sondern den Bürgerinnen und Bürgern auch die EU-Politiker näher bringen. “Was für ein
Vergnügen, mit euch hier sein zu können”, twittert also Timmermans Community
Manager.

In einem windgeschützten Winkel des Fabrikgeländes
wedeln vier ältere Männer gut gelaunt mit Europafähnchen aus Plastik.  Natürlich seien sie wegen des
europäischen Spitzenkandidaten gekommen, beteuert José Torres, mit 73 Jahren
der älteste der vier auf Nachfrage: “Das ist ein weltgewandter Mann mit einem beeindruckenden
Lebenslauf. Er hat es zum Außenminister geschafft.” “Er hat Charisma, spricht
mehrere Sprachen und kennt sich aus in der EU”, ergänzt sein Bruder Jordi und
streckt den Daumen nach oben.

Die Beschreibung passt detailgenau auf Frans Timmermanns. Doch nach ein paar Minuten wird klar, dass die
beiden nicht vom europäischen Kandidaten sprechen, sondern vom spanischen Spitzenkandidaten der PSOE: Josep Borrell, amtierender
Außenminister und zwischen 2004 und 2007 Präsident des Europäischen Parlaments.
“Natürlich wird Borrell gewinnen und dann blasen wir den Salvinis der Welt den
Marsch”, sagt José und winkt mit seinem Fähnchen. Die Grenzen zwischen
nationaler und europäischer Politik sind fließend, nicht nur an diesem Abend.

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