/Gabriele Oettingen: “Ich habe Probleme mit dem Begriff Schweinehund”

Gabriele Oettingen: “Ich habe Probleme mit dem Begriff Schweinehund”

Gabriele Oettingen ist Professorin für Psychologie an der Uni Hamburg. Seit 20 Jahren forscht sie dazu, wie aus Motivation Handlungen werden, wie man es zum Beispiel schafft, abzunehmen oder mit dem Rauchen aufzuhören.

ZEIT ONLINE: Frau Oettingen, Sie haben eine Strategie entwickelt, die Menschen helfen soll, ihre Ziele zu verwirklichen – ein “Werkzeug zur Wunscherfüllung”, wie Sie es nennen. Wie unterscheidet sich Ihr Ansatz von Ratgeberliteratur, die vollmundig mit Rezepten wirbt, wie man schnell und einfach zu einem gesünderen und zufriedeneren Leben kommt?

Gabriele Oettingen: Unser Ansatz basiert auf Erkenntnissen, die wir im Laufe der letzten 20 Jahre in experimentellen Studien gewonnen haben. Sie zeigen, dass die Methode zum Beispiel helfen kann, sich die Zeit besser einzuteilen (Journal of Personnel Psychology:Oettingen et al., 2010)
oder besser in der Schule zu werden (Social
Psychology and Personality Science:
Duckworth
et al., 2013
). Wir haben entdeckt, dass alleiniges positives Denken problematisch ist für das Erfüllen von Wünschen. Wer sich seine Zukunft allzu schön ausmalt, lehnt sich eher zurück (Journal of Personality and Social Psychology: Oettingen et al., 2002).

Gabriele Oettingen: Gabriele Oettingen ist Professorin für Psychologie an der Universität Hamburg und an der New York University. Seit 20 Jahren erforscht sie wie aus Motivation Handlungen erwachsen.

Gabriele Oettingen ist Professorin für Psychologie an der Universität Hamburg und an der New York University. Seit 20 Jahren erforscht sie, wie aus Motivation Handlungen erwachsen. 2015 erschien Ihr Buch “Die Psychologie des Gelingens”.


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ZEIT ONLINE: Ihre Methode heißt
WOOP, was für Wish, Outcome, Obstacle und Plan steht, auf Deutsch: Wunsch,
Ergebnis, Hindernis und Plan. Wie genau funktioniert sie?

Oettingen: Zuerst formuliert man einen Wunsch, der gerne herausfordernd
sein darf, aber im Bereich des Möglichen liegen sollte. Dann fragt man sich:
Was wäre das schönste Ergebnis, wenn ich mir meinen Wunsch erfüllt hätte? Wie
würde ich mich fühlen? Wenn man das Schönste entdeckt hat, stellt man es sich lebendig
vor. Jetzt darf man aber nicht im Schwelgen verharren, sondern muss sich
ehrlich fragen: Was hält mich eigentlich davon ab, mir den Wunsch zu erfüllen?
Auch hier ist es wichtig, in sich hineinzuspüren. Das Hindernis kann ein Gefühl
sein, eine irrationale Überzeugung oder eine schlechte Angewohnheit. Wenn man
es identifiziert und imaginiert hat, kann man einen Plan entwerfen, um es zu
überwinden. Der Rest läuft dann automatisch.

ZEIT ONLINE: Ganz schön abstrakt.
Lassen Sie uns die Schritte einmal anhand eines konkreten Beispiels durchgehen.
Angenommen, jemand hätte den Wunsch, drei Kilo abzunehmen. Wie müsste er oder
sie da vorgehen?

Oettingen: Das lässt sich so pauschal kaum beantworten, denn es hängt
sehr von den individuellen Umständen ab. Wünsche entspringen aus echten
Bedürfnissen, aus Mangelzuständen. Machen wir es doch andersherum: Was ist Ihr
größtes Anliegen, wenn es darum geht, gesünder zu leben?

ZEIT ONLINE: Früher bin ich zwei
Mal in der Woche morgens vor der Arbeit joggen gegangen. Danach hatte ich immer
das Gefühl, schon etwas geschafft zu haben, bevor der Tag richtig losging. Das
würde ich gerne wieder aufnehmen.

Oettingen: Sehr gut. Da haben Sie Ihren Wunsch und das Ergebnis gleich
dazu: ein gutes Gefühl für den Start in den Tag. Und nun fragen Sie sich: Was
hält Sie denn davon ab, gleich morgen früh loszulaufen? Malen Sie sich das
ganz genau aus.


Gabriele Oettingen: Mehr dazu, warum es Menschen so schwerfällt, ihr Verhalten zu ändern, lesen Sie im aktuellen ZEIT Doctor. Sie können es mit der ZEIT am Kiosk oder hier erwerben.

Mehr dazu, warum es Menschen so schwerfällt, ihr Verhalten zu ändern, lesen Sie im aktuellen ZEIT Doctor. Sie können es mit der ZEIT am Kiosk oder hier erwerben.

ZEIT ONLINE: Ich habe jetzt eine
kleine Tochter, mit der ich morgens zusammen frühstücke und sie dann in die
Kita bringe. Ich möchte wegen des Joggens ungern weniger Zeit mit meiner
Tochter verbringen.

Oettingen: Sie fühlen sich für Ihre Tochter verantwortlich und das
hindert Sie daran, Ihre alte Gewohnheit wieder aufzunehmen? So entschieden, wie
Sie das gesagt haben, scheint es, dass Sie über dieses Hindernis gar nicht
hinwegwollen. Gut, dass Sie das jetzt wissen!

ZEIT ONLINE: Wieso ist das gut?

Oettingen: Weil Sie sich nun guten Gewissens von diesem Wunsch
verabschieden können. WOOP kann helfen zu erkennen, was einem wirklich wichtig
ist. Wenn das Hindernis zu groß ist oder das Gefühl, das Sie verspüren, wenn
sie sich die Erfüllung eines Wunsches ausmalen, ziemlich lau ist, sollten Sie
sich anderen Zielen zuwenden. Zurück zu Ihrem Beispiel: Gibt es eine andere
Tageszeit, zu der Sie laufen gehen könnten?

ZEIT ONLINE: Ja, ich könnte
natürlich auch abends joggen, wenn meine Tochter schläft.

Oettingen: Heißt das, Ihr neuer Wunsch ist, am Abend laufen zu gehen?
Was wäre dann das Schönste, können Sie es sich lebhaft vorstellen? Und was ist
dann das Hindernis?

ZEIT ONLINE: Das Schönste wäre
wohl der Stolz, mich noch mal aufgerafft zu haben. Aber nach der Arbeit bin ich
meist ziemlich müde. Außerdem müsste ich schon beim Abendbrot daran denken,
weniger zu essen – mit vollem Bauch läuft es sich nicht gut. Ich glaube, ich
würde ziemlich gestresst am Tisch sitzen, wenn ich daran dächte, gleich noch
mal loszumüssen. Dann kommt der Impuls zu sagen: Ach nee, ich lass es lieber
bleiben.

Oettingen: Ist das Ihr inneres Hindernis, die Versuchung zu sagen “Ach
nee, ich lass es lieber bleiben”?

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