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Quentin Tarantino: Schönheit und Grauen in Beverly Hills

“Quentin Tarantino kommt wieder nach Cannes!” Was
hatte sich das Filmfest gefreut, dass der amerikanische Regisseur
sein jüngstes Projekt Once upon a time in Hollywood gerade noch
rechtzeitig zur Eröffnung fertig produzieren konnte. Aus lauter Dankbarkeit
programmierte die Festivalleitung die Weltpremiere auf den 21. Mai – auf
den Tag genau 25 Jahre nach der Premiere seines Films Pulp Fiction,
mit dem Tarantino 1994 überraschend die Goldene Palme gewann und international bekannt wurde. Sechsmal wurde er insgesamt an die
Croisette eingeladen. Einmal noch gab es eine weitere Palme: 2009 für
Christoph Waltz als Hans Landa in Inglourious Basterds.

Nun also läuft hier Once upon a time in
Hollywood
. Schon der Titel ist eine typisch tarantinoeske
Selbstüberhöhung, stellt er sich damit doch in eine direkte Reihe zu Sergio Leones Klassikern Once upon a time in the West (bei uns
bekannter unter dem Titel Spiel mir das Lied vom Tod) und Once upon a time in America (auf Deutsch Es war einmal in
Amerika
). Auf ein kinematografisches Eröffnungsballett wie in Spiel
mir das Lied vom Tod
oder in Pulp Fiction wartet man indes vergeblich. Der Film beginnt recht
unspektakulär mit einer Schwarz-Weiß-Szene im 16-Millimeter-uralt-TV-Format. Leonardo DiCaprio und Brad Pitt plaudern da während einer Drehpause an einem Westernset
über ihre Jobs. DiCaprio spielt den langsam alternden Schauspieler Rick Dalton,
Pitt dessen Stuntdouble und Kumpel Cliff Booth.

Es ist das Jahr 1969. Die Zeit
der klassischen amerikanischen Western geht gerade zu Ende, Rick ahnt: auch
seine eigene Karriere. Während der eitle und sich langsam aus der Form saufende
Schauspieler damit hadert und abwechselnd sich selbst oder die Idioten um ihn
herum beschimpft, lebt Cliff mit seinem wohlerzogenen Kampfhund in aller
Bescheidenheit und Frieden in einem lausigen Trailer. Die beiden Männer kommen
bestens miteinander aus, weil Cliff kein Problem damit hat, Ricks Mädchen für
alles zu spielen: Er erledigt stets mit dem sonnigsten Brad-Pitt-Lächeln
Chauffeurdienste, Reparaturen aller Art und das Housesitting in Daltons Villa
in den Beverly Hills am Cielo Drive 10048, genau neben der Villa, in die der Filmregisseur Roman Polanski mit seiner Frau eingezogen ist.

Lange cruisen die beiden in Ricks gelbem Cadillac durch Hollywood.
Dann geht die Sonne hinter den Palmen unter und Filmplakate und Kinotafeln
kommen ins Bild: Jean Seberg, Tony Curtis, Claudia Cardinale, Elke Sommer. Ein
Fest für alle, die Tarantinos Leidenschaft für Film teilen. Und natürlich geht
es hier nicht einfach um irgendeinen fiktiven Rick oder Cliff, sondern um das
Leben von Burt Reynolds, zumindest lose, und dessen Freund, das Stuntdouble
(und den späteren Filmemacher) Hal Needham. Es geht um das alte Hollywood, für
das die beiden stehen und das hier unbedingt als gut zu begreifen ist.

Klitzekleines bisschen langweilig

Warum Burt Reynolds? Weil Quentin Tarantino als Kind die
Filme mit ihm liebte und seine Eltern vermutlich auch, jedenfalls nannten sie
ihren Sohn nach Quint Asper, einer Figur aus der Serie Rauchende
Colts
, die Burt Reynolds verkörperte. Warum Hollywood im Jahr 1969? Weil
der kleine Quentin, seit er zwei Jahre alt war, hier aufwuchs und als
Einzelkind viel Zeit in Kinos verbrachte. Seine ersten Jobs in der Filmbranche
ergatterte Tarantino nur aufgrund seines verblüffend umfangreichen Wissens über
Filme, auch und insbesondere über B-Movies. Er liebt dieses Hollywood. Aus
diesem Grund dreht er auch alle seine Filme auf analogem Material. Digitale
Filme sähen grauenvoll aus, hat er einmal gesagt. Falls eines Tages
Filme ausschließlich digital gedreht werden sollten, werde er Romane schreiben.

All diesen Gedanken kann man während der ersten Stunde von Once upon a time in Hollywood bequem nachhängen, man entdeckt
vielleicht sogar die Cocktailkirsche, die einst schon Uma Thurmans Milchshake
in Pulp Fiction zierte, oder die Ähnlichkeit eines Autounfalls mit einem
der legendären Crashs in Burt Reynolds großem Erfolg Ein ausgekochtes
Schlitzohr
. Irgendwann fängt man an, sich ein klitzekleines
bisschen zu langweilen. Trotz Brad Pitt. Trotz Leonardo DiCaprio. Und das ist
dann doch überraschend für einen Tarantino.

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