/Opposition in Österreich: Jenseits von Ibiza

Opposition in Österreich: Jenseits von Ibiza

Wenn man es halb hochtrabend, halb ironisch
formulieren will: Nicht der Antifaschismus hat den Faschismus besiegt, der
Faschismus hat sich mal wieder selbst besiegt. Oder, mit weniger Augenzwinkern:
Die Rechts-Ultrarechts-Koalition in Wien hat sich selbst zerlegt,
aber nicht, weil ihre gesellschaftliche Hegemonie auf irgendeine Weise unter
Druck geraten ist. Im Gegenteil: Sie regierte intern stabil bis zu der fatalen
Kettenreaktion, die die Veröffentlichung der Ibiza-Tapes in Gang setzte, hatte
hohe Zustimmungsraten und mit Sebastian Kurz eine Frontfigur, die hohe
Popularität genießt. Aber wichtiger noch: Das populistische Dauerfeuer und die
xenophoben Kampagnen in Permanenz haben ihre Themen dominant gemacht. Und
daran hat sich nicht grundsätzlich etwas geändert, nur weil diese Regierung nun
in einem Skandalstrudel untergeht.

Bloß: Warum ist Österreichs Linke so
schwach, warum konnte sie dem bisher nicht viel entgegensetzen – und könnte
sich das jetzt ändern?

Grundsätzlich hat das keine anderen Gründe
als in vielen Ländern: Die klassischen Linksparteien haben an Glaubwürdigkeit
verloren, sie haben sich von ihrem Kernklientel entfremdet, es gibt zugleich
eine zunehmende Wut derer, die sich nicht mehr wahrgenommen fühlen, aber auch
eine innerliche, politische und personelle Sklerosierung der traditionellen
demokratischen Linksparteien. Das betrifft natürlich vor allem die
Sozialdemokraten, wie beinahe überall von Deutschland, Frankreich bis Italien.

Wende zum Autoritären und ein Klima der Angst

An speziellen Gründen kommt hinzu:
Sebastian Kurz hat sich zunächst als frisches Gesicht, als Person der
Erneuerung inszeniert, und dann auch noch der FPÖ ihre Programmatik gestohlen.
Aber indem er ihr ihre Themen abnahm, hat er ihre Ideologie dominant
gemacht. Und indem er sie in die Regierung holte und sogar in einen
Überbietungswettbewerb geriet, wer nun der schlimmere, fiesere populistische
Finger ist, trug er zu einer zunehmenden Radikalisierung der politischen
Diskurse
bei. Das Migrationsthema wurde zum allein bestimmenden.

Nicht vergessen werden soll freilich auch:
Die Wende zum Autoritären, das Ziel der Koalitionäre, Österreich zu einer Art Orbán-Country zu machen, hat bis zum vergangenen Freitag auch zur Verbreitung eines
Klimas der Angst beigetragen, das abweichende Stimmen leiser werden, wenn nicht
sogar verstummen ließ.

Dem gegenüber war die Mitte-Links-Opposition
in einem arg zerzausten Zustand. Gegen das populistische Dauerfeuer fand sie
wenig Strategien. Zumal auch die Sozialdemokratie in der Migrationsfrage
immer wieder gespalten ist: in jene, die eher eine weltoffene,
menschenrechtlich orientierte Haltung bevorzugen, und jene, die den
ausländerfeindlichen Grundstimmungen ein wenig nachgeben wollen. Hinzu kommt:
Nach personellen Turbulenzen auf Bundesebene und auch in wichtigen Landesorganisationen
hat die Partei erst langsam wieder zur Handlungsfähigkeit zurückgefunden. Die
neue Parteivorsitzende und Oppositionsführerin Pamela Rendi-Wagner ist erst
seit ein paar Monaten im Amt und wirkt auf die meisten Menschen im Augenblick
noch nicht wie selbstverständlich als die “nächste Kanzlerin im
Wartestand”. Wenn man in Österreich an einen Kanzler denkt, dann fast
automatisch an Sebastian Kurz.

Vier Monate Wahlkampf, Ausgang offen

Die Grünen wiederum hatten sich vor den jüngsten Wahlen sowieso in einem internen Chaos zerlegt und sind aus dem
Nationalrat geflogen, seitdem gibt es links von den Sozialdemokraten nur mehr
eine Minifraktion der Liste Jetzt, einem Grünen-Spaltprodukt, das
vom Langzeitparlamentarier Peter Pilz ins Leben gerufen wurde.

Das ist die Ausgangsposition zu Beginn
eines Wahlkampfes, der nun knapp vier Monaten dauern wird und die
Oppositionsparteien überrascht hat – denn auf eine solche Kernschmelze der
Regierung hätte bisher niemand gewettet. Wird also die rechte Hegemonie
aufrecht bleiben und Sebastian Kurz einfach die Wählerinnen und Wähler der FPÖ gewinnen und
dann, mit einem anderen Partner, als Kanzler weiterregieren? Bleibt der
Opposition, die auf dem falschen Fuß erwischt wurde, kaum mehr übrig, als dabei
zuzusehen? Das freilich ist auch keineswegs fix.

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