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Bürgerschaftswahl in Bremen: Nur Bürgermeister werden

Über Jahrzehnte bedeuteten Bürgerschaftswahlen in Bremen, dass die knapp 500.000 Wahlberechtigten über den Juniorpartner der SPD abstimmten. Spannung? Fehlanzeige. Dann kam Carsten Meyer-Heder. Dem 58 Jahre alten IT-Unternehmer, CDU-Spitzenkandidat bei der Wahl am 26 Mai, könnte etwas Historisches gelingen: Er schickt sich an, die Sozialdemokraten aus dem Rathaus zu verdrängen. Er wäre der erste Bürgermeister seit dem Krieg ohne SPD-Parteibuch. Und deshalb hat die Wahl, bei der es zwar um Bremer Lokalpolitik geht, plötzlich eine bundespolitische Dimension.

Sehr genau verfolgen die Parteispitzen in Berlin, was im kleinsten der Bundesländer passiert. In Umfragen liegt die CDU mit 26 Prozent einen Prozentpunkt vor den Sozialdemokraten. Bürgermeister Carsten Sieling steht kurz davor, ein historisch schlechtes Ergebnis für die SPD einzufahren. Der 60-Jährige gilt laut einer Umfrage als Deutschlands unbeliebtester Bürgermeister. Er verfügt nicht über Charisma und Rhetorik eines Jens Böhrnsen oder Henning Scherf, die vor ihm die Hansestadt regierten.

Außenseiter mit Wissenslücken

In diese Lücke stößt die CDU mit ihrem Spitzenmann. Einem, der eigentlich gar nicht in das klassische Profil eines Christdemokraten passt: Meyer-Heder, ein Zwei-Meter-Mann, Polit-Neuling. Zu Terminen kommt er auch mal mit dem Motorrad. Krawatten sind nichts für ihn. Er lebt in einer Patchworkfamilie, hat drei Kinder mit zwei Frauen und ist zum dritten Mal verheiratet. Sein Studium hat er abgebrochen, er ist konfessionslos, ein Selfmade-IT-Unternehmer. Sein Politikwissen ist lückenhaft, dazu steht er. Doch gerade weil der Quereinsteiger dem CDU-Klischee nicht entspricht, kommt er bei vielen Menschen in Bremen gut an.

Vier Themen hat er sich für den Wahlkampf gesetzt: Bildung, Digitalisierung, Verkehr und Wirtschaft. Gerade hat er mit seiner Partei ein Programm vorgestellt, das die CDU im Falle eines Wahlsieges in den ersten 100 Tagen im Rathaus anstoßen will. Mehr Fachkräfte sollen künftig nach Bremen kommen – besonders Lehrer. Er glaubt, dass in Bremen mehr über private Investoren geregelt werden könnte, eine Seilbahn für den öffentlichen Verkehr etwa und sogar die Sanierung von maroden Schulen. “Es gibt durchaus Stiftungen, die mit privaten Investoren zusammenarbeiten, die nicht auf besonders hohe Renditen aus sind”, sagt er.

Dass er einmal Bürgermeisterkandidat für die CDU werden würde, hätte ihm in seiner Studentenzeit keiner geglaubt. Er wächst in einem liberalen Bremer Elternhaus auf, sein Vater lässt ihn sonntags zu Familienratssitzungen antreten, in denen über offene Zahnpastatuben diskutiert wird. Den jugendlichen Meyer-Heder nervt das, heute ist er dankbar dafür. Nach seinem Abitur 1979 zieht er in eine Zehner-WG ins “Viertel” – Bremens berühmtes Quartier für Kneipen- und Subkultur. Er trägt lange Haare, wählt links. Nach seinem Zivildienst studiert er einige Semester Wirtschaftswissenschaften, verbringt aber genauso viel Zeit hinterm Schlagzeug. “Mit 20 habe ich Schwierigkeiten gehabt, meinen Weg zu finden. Ich habe viel rumgedaddelt und nebenbei ein bisschen Geld in der Kneipe verdient”, sagt er im Rückblick.

Kurz darauf bekommt er Krebs, zwei Jahre kämpft er gegen die Krankheit. Es ist der Wendepunkt. Meyer-Heder macht eine Umschulung zum Programmierer, gründet 1993 die erste IT-Firma seiner Unternehmensgruppe Team Neusta. Heute arbeiten mehr als 1.000 Angestellte für ihn.

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