/Warren Mosler: “Entweder wir glauben an die Demokratie oder nicht”

Warren Mosler: “Entweder wir glauben an die Demokratie oder nicht”

Warren Mosler ist ein
amerikanischer Ökonom und ehemaliger Hedge-Fonds-Manager. Er gilt als
Mitbegründer der Modernen Geldtheorie (Modern Monetary Theory – MMT). Die
Anhänger dieser umstrittenen Theorie argumentieren, dass Staatsschulden keine
Rolle spielen
und die Regierungen viel mehr Geld ausgeben können als gemeinhin
vermutet. Diese Sichtweise liefert das theoretische Fundament für
Ausgabenprogramme, wie sie die demokratische Kongressabgeordnete Alexandria
Ocasio-Cortez
fordert.

ZEIT ONLINE: Herr Mosler, wir wollen mit Ihnen über Geld sprechen. Wie kommt ein Staat an Geld, wenn er zum Beispiel eine Brücke bauen will?

Warren Mosler: Er kann die Brücke einfach bauen. Er bezahlt sie dann auf die übliche Art und Weise – so wie er auch all seine anderen Ausgaben bezahlt.

ZEIT ONLINE: Die meisten Politiker würden sagen: Damit Geld ausgegeben werden kann, muss es erst einmal eingenommen werden.

Mosler: Ich weiß, dass das die Politiker sagen. Es ist aber falsch.

ZEIT ONLINE: Sie sind Mitbegründer der sogenannten Modernen Geldtheorie (MMT) – eine ökonomische Denkschule, die in den USA gerade Furore macht. Wie würden Sie die zentrale Botschaft dieser Theorie beschreiben?

Mosler: Die konventionelle ökonomische Theorie sagt: Erst kommen die Steuern, dann die Ausgaben. Wir sagen: Die Reihenfolge stimmt nicht. Erst wird das Geld durch den Staat beziehungsweise die Zentralbank ausgegeben, dann können Steuern damit gezahlt oder Staatsanleihen herausgegeben werden. Denn das Geld, um Steuern zu zahlen oder Staatsanleihen zu kaufen, kann nur vom Staat oder seinen Vertretern kommen.

ZEIT ONLINE: Das müssen Sie erklären.

Mosler: Ich versuche es mit einem Beispiel. Ich habe vor einiger Zeit mit meiner Frau die Ruinen von Pompeij besucht. Unser Reiseleiter hat uns vom Leben der Menschen in der Stadt vor dem Ausbruch des Vesuvs erzählt. Sie hatten für die damalige Zeit ein gutes Leben. Die Steuern waren hoch aber auch die Qualität der öffentlichen Infrastruktur. Dann hat er uns ein paar antike Münzen gezeigt, die man ausgegraben hat. Ich habe gesagt: Die Regierung hat mit diesen Münzen zuerst die Menschen bezahlt, erst danach konnten die Menschen die Steuern bezahlen, die sie schuldeten.

ZEIT ONLINE: Und der Reiseleiter?

Mosler: Er hat gesagt: Es ist genau andersherum. Erst hat sie die Steuern erhoben und dann die Arbeiter bezahlt. Dann habe ich gefragt: Wer hat denn die Münzen ursprünglich geprägt? Da sagte er: Die Regierung. Also fragte ich, wie haben die Menschen denn die Münzen bekommen, um die Steuer zu bezahlen?

ZEIT ONLINE: Wie hat er reagiert?

Mosler: Er fragte: Also wurden die Leute zuerst bezahlt und danach haben sie ihre Steuern mit den Münzen bezahlt? Ich sagte: Ja, wie soll es denn sonst funktionieren? Daraufhin schüttelte er den Kopf und ist weggerannt. Mein Punkt ist: Wenn das Geld, um Steuern zu bezahlen, ausschließlich vom Staat kommt, dann kann die Regierung nicht zuerst Steuern erheben, um Zahlungen tätigen zu können.

ZEIT ONLINE: Sie macht stattdessen Schulden.

Mosler: So könnte man es formulieren, aber ich benutze den Begriff nicht gerne, weil er negativ besetzt ist. Die Staatsverschuldung ist nichts anderes als das Geld, das die Regierung ausgegeben hat und das noch nicht zur Steuerzahlung verwendet wurde. Ich habe neulich gelesen, dass in Pompeij in einer Straße 20.000 antike Münzen gefunden worden sind. Wie sind die 20.000 Münzen dorthin gekommen? Die Regierung von Pompeij hat vielleicht 100.000 Münzen geprägt und ausgegeben, von denen etwa 80.000 Münzen zur Zahlung der Steuer genutzt wurden. Die übrigen 20.000 Münzen, die man auf der Straße ausgegraben hat, sind die Staatsverschuldung. Gleichzeitig sind sie der Geldbestand von Pompeij. Ist das ein Problem? Nein.

ZEIT ONLINE: Es sei denn, die Schulden steigen und die Zinslast nimmt der Regierung alle Handlungsspielräume.

Mosler: Pompeji hat keine Zinsen auf die Münzen auf der Straße gezahlt, und mit der heutigen Nullzinspolitik und den negativen Zinsen fallen die Zinszahlungen auch für unsere Regierungen auf null. Sie müssen keine Zinsen zahlen. Zinsen sind ein leistungsloses Einkommen beziehungsweise ein bedingungsloses Grundeinkommen für die Besitzer von Staatsanleihen, also jene, die bereits Geld haben. Ich würde die Nullzinspolitik dauerhaft machen und so derartige staatliche Zinszahlungen eliminieren.

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