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Städtepartnerschaften: Wo unsere Freunde leben

Die Punkte zeigen alle Städte, mit denen Deutschland Partnerschaften hat. © ZEIT ONLINE

Deutschland hat Freunde auf der ganzen Welt, wie unsere Karte zeigt. Jeder Punkt steht für eine ausländische Kommune, die mit einer deutschen eine Städtepartnerschaft oder -freundschaft führt.

Auf jedem Kontinent gibt es mindestens eine Stadt, die sich freundschaftlich mit einer deutschen Stadt verbunden fühlt. Die am weitesten entfernte ist Wagga Wagga im Südosten Australiens, seit 1967 die Partnerstadt vom bayerischen Nördlingen. Die meisten unserer befreundeten Städte liegen aber deutlich näher:

Mit Kaliningrad und Budapest hat Deutschland die meisten Städtepartnerschaften. © ZEIT ONLINE

Die mit Abstand meisten Städtepartnerschaften hat Deutschland innerhalb Europas. In nahezu jedem Land gibt es eine befreundete Stadt (außer in Liechtenstein, San Marino, Andorra, Albanien, Montenegro und im Vatikan). Den Schwerpunkt bilden dabei die direkten Nachbarländer und EU-Partner.

Das ist kein Zufall. Nach dem Zweiten Weltkrieg war es das erklärte Ziel der deutschen und vieler europäischer Regierungen, sich wieder miteinander zu versöhnen. Die teilweise bereits dezentral organisierten Städtepartnerschaften galten dafür bald als ein ideales Mittel. Sie sollten allen Bevölkerungsschichten einen Zugang zu Europa ermöglichen, auch und gerade solchen, die sich für Politik kaum interessieren. In Schulen und Vereinen konnte man “Europa von unten” am besten vermitteln, so hoffte man. Ein Konzept, das angenommen wurde. Und zwar nicht nur von ein paar Großstädten, sondern von der Masse der deutschen Kommunen.


6.500


Städtepartnerschaften


unterhält Deutschland mit der ganzen Welt.


circa 90 Prozent


aller Partnerschaften


hat Deutschland mit europäischen Städten und Kommunen.


2.100


deutsch-französische Partnerschaften


machen davon den Großteil aus.

Circa 6.500 Partnerschaften unterhalten deutsche Städte und Gemeinden mit Pendants im Ausland derzeit. Zumindest sind so viele offiziell erfasst, es könnten also noch mehr sein. Die hohe Anzahl relativiert sich allerdings dadurch, dass viele Städte mehrere Partner haben. Spitzenreiter ist Berlin, wo auch einzelne Bezirke mehrere internationale Partner haben.

Deutschlands beste Freunde sind
zwei Städte in Osteuropa. Beim russischen Kaliningrad ist die intensive Verbindung noch leicht zu erklären, schließlich hieß die Stadt mal Königsberg und gehörte zu Preußen. Gleich acht deutsche Städte sind Partner von Kaliningrad. Überraschender ist, dass auch die ungarische Hauptstadt Budapest auf den Spitzenwert von acht deutschen Partnerstädten kommt.

Die meisten Freunde in Frankreich

Die meisten insgesamt aber, nämlich fast ein Drittel aller deutschen Städtefreundschaften, sind mit Frankreich geknüpft. Die beiden früheren Kriegsgegner waren nicht nur der Motor des europäischen Einigungsprozesses, sondern auch diejenigen, die den kommunalen Austausch besonders früh institutionalisiert und gefördert haben.

Besondere Beziehungen zwischen Städten hat es zwar schon wesentlich früher gegeben, bis ins frühe Mittelalter hinein sind sie urkundlich belegt. Aber die Partnerschaften seit dem Zweiten Weltkrieg waren von einer anderen Qualität. Nun ging es nicht mehr um wirtschaftlichen oder wissenschaftlichen Austausch, sondern um eine umfassende, freundschaftliche Annäherung. Neben den Politikern und Unternehmern der jeweiligen Städte besuchten sich nun auch Schüler und Vereine regelmäßig. Politisch gefördert erlebte das Modell in den Sechzigerjahren einen Boom. Besonders mit Frankreich, aber auch mit anderen westlichen Nachbarn verschwisterten sich die deutschen Gemeinden nun fröhlich.

Dieser Zeitverlauf spiegelt sich in der nächsten Grafik wider. Zu sehen ist, in welchem Jahr wie viele
Partnerschaften erstmals mit Frankreich geschlossen wurden. Eine zweite Hochphase brachte hier das Ende des Kalten Krieges und die Vertiefung des europäischen Einigungsprozesses.

Der Zeitverlauf zeigt die neu abgeschlossenen deutsch-französischen Städtepartnerschaften. © ZEIT ONLINE

In den späten Achtziger-, frühen Neunzigerjahren entstanden auch viele Partnerschaften mit ostdeutschen Städten. Das Jahr 2000 brachte dem Modell Städtepartnerschaft noch mal ein Hoch, nicht nur bei den Freundschaften mit französischen Kommunen. Viele Städte nahmen die Jahrtausendwende zum Anlass, ein neues internationales Bündnis aufzunehmen. Aber seither ist der Boom abgeebbt. Ein Rückgang der neu geschlossenen Verbindungen ist klar zu erkennen.

Anlass zur Sorge muss das nicht unbedingt sein. Forscher und Kommunalpolitiker, die sich mit Städtepartnerschaften beschäftigen, berichten, dass die bestehenden Partnerschaften zumeist lebendig und vital seien. Dass sich häufig mit den Generationen der Kontakt intensiviert und auf verschiedene gesellschaftliche Bereiche ausgeweitet habe. Immer mehr Vereine und Gruppen beteiligen sich. Oft sind komplexe Netzwerke entstanden.

Die Motive

Die nächsten Grafiken zeigen, dass räumliche Nähe ein wichtiges Kriterium bei der Partnerwahl ist. Die Städte, die mit Städten in Frankreich, den Niederlanden und Belgien verpartnert sind, liegen tendenziell im Westen Deutschlands. Die Stadtfreunde von Italien und Österreich sind eher im Süden der Republik zu finden, die der Tschechen eher im Osten. Es gibt aber auch Länder, bei denen dieses Nähe-Schema nicht greift: Viele Freundschaften zu polnischen Städten gibt es im Ruhrgebiet, was mit der Einwanderertradition dieser Region zu tun hat. Auch die Freunde Russlands sind quer übers Land verstreut.

Verteilung der Partnerstädte in Deutschland, geordnet nach den Top-9-Ländern © ZEIT ONLINE

Das Land, mit dem Deutschland außerhalb Europas die meisten Städtepartnerschaften pflegt, sind übrigens die USA. Bereits 1945 initiierten deutsche Auswanderer das Bündnis von Braunfels in Mittelhessen und New Braunfels in Texas. Die erste Partnerschaft mit einer asiatischen Stadt entstand 1959, die mit einer afrikanischen Stadt 1963. Weitere Pioniere zeigt unsere nächste Übersicht. Mal ist es der Krieg, der die beiden hinterher zusammengeführt hat,
mal der Fußball – oder ganz andere profane wie göttliche Dinge.

Besondere Freunde

🇩🇪🇫🇷 Pioniere nach dem Krieg: Das baden-württembergische Städtchen Ludwigsburg war früh ein Zentrum der Aussöhnung nach dem Zweiten Weltkrieg. Schon in den späten Vierzigerjahren wurde hier das Deutsch-Französische Institut gegründet, das sich die Annäherung der beiden Kriegsfeinde zum Ziel machte. Diese war auch dem Bürgermeister von Montbéliard wichtig. Er selbst war früherer Insasse des KZs in Buchenwald. 1950 gingen beide Städte die erste deutsch-französische Partnerschaft ein.

🇩🇪🇯🇵 Freunde in Fernost: Im Jahr 1959 schlossen mehrere deutsche Städte die ersten Partnerschaften mit asiatischen. Augsburg verbrüderte sich gleich mit zwei japanischen Städten: mit Nagahama

und mit Amagasaki. Berlin verbandelte sich im selben Jahr mit dem japanischen Higashiosaka.

🇩🇪🇹🇿 Großer Freund aus Afrika: Die älteste deutsche Städtepartnerschaft mit einer afrikanischen
Stadt geht auf Eckernförde zurück. Das war 1963. Die Zahl der Einwohner spielte dabei offenbar keine Rolle: Der Partner Tanga in Tansania hat zehnmal so viele Einwohner wie das Küstenstädtchen in Schleswig-Holstein. Die meisten afrikanischen Partnerstädte gibt es übrigens in Ruanda. Grund dafür ist eine Regionalpartnerschaft des Landes Rheinland-Pfalz mit dem zentralafrikanischen Land.

🇩🇪🇫🇷 Sehr alte Freunde: Die Verbindung zwischen Paderborn und Le Mans gilt als der Klassiker der Städtefreundschaften, als ältestes europäisches Zweierbündnis überhaupt. Bereits 836 wurde die Partnerschaft urkundlich erwähnt. Sie geht zurück auf den heiligen Liborius. Der Schutzpatron
von Paderborn stammt aus Le Mans. Erneut urkundlich bekräftigten die beiden Städte ihr Bündnis 1967.

🇩🇪🇦🇹 Meer und Berge: Das Hochseeheilbad Helgoland und der österreichische Alpenkurort Millstatt am See verbündeten sich 1974 als
nördlichstes und südlichstes deutschsprachiges Seebad Europas.

🇩🇪🇨🇳 China, erst spät entdeckt: China als Städtefreund entdeckten die deutschen Städte erst relativ spät. Die erste war Duisburg 1982. Sie verbrüderte sich mit Wuhan, andere deutsche Städte folgten. Begründet wurden diese Bündnisse häufig mit Wirtschaftsförderung und strategischen Partnerschaften.

🇩🇪🇳🇮 Politischer Freund: Gemessen an seiner relativ geringen Einwohnerzahl gibt es in Nicaragua viele deutsche Partnerstädte. Das hat politische Gründe. Sie waren Zeichen der Solidarisierung in den
Achtzigerjahren mit der Revolution in
Nicaragua. So schlossen Leverkusen und Chinandega im Jahr 1986 ihr Bündnis ab.

🇩🇪🇪🇸 Der Krieg verbindet: Beide Städte, Pforzheim und Guernica, eint das Schicksal, durch Fliegerangriffe
zerstört worden zu sein. Das Bild Picassos vom Angriff auf die
baskische Stadt 1937 hat die Kriegsgräuel künstlerisch verewigt. Für Pforzheim existiert leider kein Gemälde. 1987 gingen beide Städte eine Partnerschaft ein.

🇩🇪🇹🇷 Solidarität mit den Attackierten: Nach den rechtsextremen Anschlägen auf türkischstämmige Menschen in Solingen hatte die Stadt Bremen das Bedürfnis, ein Zeichen der Solidarität zu setzen. Also verbrüderte sich die Hansestadt 1995 mit Izmir, der Heimatstadt vieler Bremer Türken und ebenfalls einer Hafenstadt. Die erste deutsch-türkische Partnerschaft gibt es schon seit 1961 zwischen Betzdorf und Denizli.

🇩🇪🇧🇷 Karnevalkumpels: Köln ist ein Anziehungspunkt für
viele Brasilianer, denn hier lebt die größte brasilianische Gemeinde in
Deutschland. Mit Rio de Janeiro verbindet die Stadt am Rhein auch die Liebe zum Karneval. 2011 gossen die beiden Metropolen diese Gemeinsamkeiten in eine offizielle Partnerschaft.

Die Daten, die uns als Grundlage dienten, stammen vom Rat
der Gemeinden und Regionen Europas (RGRE)
, einem gemeinnützigen Verband, in dem
sich die Kommunen Europas organisieren. Für Deutschland ist diese Datenbank die verlässlichste Quelle. Allerdings basiert sie auf Freiwilligkeit und ist
daher nicht vollständig, da nicht jede Kommune jede Partnerschaft meldet.

Für die deutsch-polnischen Städtepartnerschaften
haben wir die Daten von Związek Miast Polskich (Vereinigung polnischer Städte)
verwendet, weil sie in diesem Fall vollständiger als die RGRE-Daten sind. Beraten haben uns außerdem das Deutsch-Französische Institut (hier besonders:
Eileen Keller) und der Auslandsgesellschaft.de e.V.

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