/St. Pauli: Im fünften Stock regnet es von der Decke

St. Pauli: Im fünften Stock regnet es von der Decke

Jahrelang schwelte der Streit um die Pläne für den ehemaligen
NS-Flakbunker an der Feldstraße
, nun werden Fakten geschaffen. Auf dem Bunker legen derzeit Bauarbeiter die
Dachfläche frei und stemmen Löcher in den Beton. Das Mauerwerk wird saniert,
erst dann können die eigentlichen Bauarbeiten starten. Am Ende soll ein fünfstöckiger
Aufbau mit Luxushotel, Sport- und Veranstaltungshalle, Gedenkstätte
sowie Grünflächen in fast 60 Metern Höhe entstehen.

Eine grüne Oase über den Dächern St. Paulis: Diese Vision
schilderten Planer und Pächter gegenüber Stadt und Behörden, die das Vorhaben
schließlich genehmigten. Zwei Jahre später sind die Hoffnungen deutlich gedämpft. Neue Bilder vom
Bunkeraufbau kursieren – ohne Pflanzen, dafür mit grün gestrichenem Beton. Ein Entwurf für die Übergangsphase, in der das Dachgrün noch wachsen soll?
Eine technische Darstellung, die unabhängig vom Begrünungskonzept zu verstehen
ist? Oder eine Lachnummer: egal, ob Bäume oder Beton, Hauptsache Grün?

Im Bunker selbst ist seit Beginn der Betonsanierung kaum jemandem zum Lachen zumute. Die Mieterinnen und Mieter haben andere Probleme: Seit einer
Woche verstellen die Bauzäune, die die Dacharbeiten absichern, den Zugang zu
Parkplätzen und Lieferwegen. Im Inneren des Gebäudes, wo Ton- und Filmstudios,
Konzertsäle und Musikschulen betrieben werden, dröhnt der Baulärm durch das
Gemäuer und verwandelt den Betonklotz in einen riesigen Resonanzkörper. Dazu
kommt das Regenwasser, das seit Entfernen der Dachpappe bis in die mittleren
Geschosse durch Decken und Wände tropft. Ein bitterer Spaß für das Publikum der
Goldenen Zitronen, die ihr Konzert im Uebel & Gefährlich am 6. Mai unter
Regenschirmen spielen mussten. Für einige der Bunkermieter dagegen ein
Überlebenskampf.

War das nicht abzusehen? Eine Beeinträchtigung der
bestehenden Betriebe sollte vermieden werden, versicherten die
Geschäftspartner, als der Bunker-Deal beschlossen wurde. Laut Erbbaurechtsvertrag
mit der Stadt Hamburg ist Investor Thomas J. C. Matzen verpflichtet, die Mieterinnen und Mieter
möglichst vorzuwarnen. Niemand sollte in seiner Existenz gefährdet werden.
Trotzdem werden nun einige Betriebe empfindlich getroffen.

Terrace Hill verliert seine Terrasse

Für das
Terrace Hill geht es inzwischen ums Ganze. Seit zwölf Jahren thront der
Club auf dem Bunkerdach. Alleinstellungsmerkmal: die Terrasse
mit Ausblick auf den Michel, den Hafen und darüber hinaus. Jetzt ist die etwa 60 Quadratmeter
große Fläche weg. Als Teil des begehbaren Bunkerdachs soll sie zwar öffentlich
zugänglich bleiben, aber nicht mehr zum Terrace Hill gehören, sagen Insider aus
dem Umfeld des Clubs. Für die Partyveranstalter und Firmen, die den Club
gerade wegen des Panoramablicks buchten, ist damit der Reiz der Location dahin.
Seit Mai seien 90 Prozent der Veranstaltungen weggebrochen, heißt es. Alle vier Festangestellten
des Terrace Hill hätten ihre Jobs bereits verloren. Ohne die Mieteinnahmen habe
der Club die Leute nicht mehr bezahlen können.

Nun liegt die Kündigung auf dem Tisch. Die Frage nach dem Grund lässt die Hausverwaltung EHP, die den Investor vertritt, unbeantwortet. “Weil sie aufmuckten”, heißt es im Bunker. Die Angst vor dem Rausschmiss ist deutlich spürbar. Die bestehenden Gewerbemietverträge böten so gut wie keinen Schutz, sagen die, die nur hinter vorgehaltener Hand mit Journalisten reden wollen. Niemand will Ärger mit dem Vermieter riskieren. Nur wenige trauen sich, offen zu sprechen.

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