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Jef Europe: Sie sind gekommen, um Europa zu retten

15 Städte, 5000 Kilometer. Der älteste proeuropäische Jugendverband will für die EU-Wahl mobilisieren – und fährt mit einem Campingbus durch Ostdeutschland. Was bringt’s?

Sie sind noch gar nicht losgefahren, da hat sie der Bundespräsident schon ins Schloss Bellevue eingeladen.

“Bei der Zusammenstellung der Gästeliste ist es uns wichtig, dass möglichst viele junge Menschen, die sich für Europa interessieren und engagieren, im Publikum sind”, schrieb das Bundespräsidialamt in seiner Einladung vom 19. März.

Fünf Wochen später stehen Stefanie Hock und Steffen Haake, sie 23, er 25 Jahre alt, auf dem Altmarkt in Cottbus. Eigentlich hatte ihnen die Stadtverwaltung an diesem Dienstagnachmittag keine Genehmigung für einen Stand erteilen wollen, Anmeldung zu kurzfristig. Um trotzdem zu bleiben, meldeten sie deswegen eine Demonstration an. Name: Grenzenlos Europäisch, der Ort: ein Campingbus, voraussichtliche Teilnehmerzahl: fünf.

Stefanie Hock, braune Locken, breites Lächeln, und Steffen Haake, hellblonde Haare, breiter Ostfriesischer Akzent, sind zwei junge Menschen, die die Europäische Union so sehr mögen, man könnte fast sagen, lieben, dass sie dafür zweieinhalb Wochen mit einem Campingbus an der ostdeutschen Grenze entlangfahren wollen. Ihre Mission: Menschen für Europa begeistern. Mit Menschen über Europa sprechen, Menschen dazu bringen, am 26. Mai auf jeden Fall wählen zu gehen. Egal welche Partei, es sei denn, es ist eine antieuropäische.

Hock und Haake sind beide SPD-Mitglied, und werden sie auch wählen, doch für die EU, glauben sie, muss man sich überparteilich starkmachen. Dafür engagieren sie sich im ältesten proeuropäischen Jugendverband des Kontinents. Die Jungen Europäischen Föderalisten, kurz Jef, gründeten sich 1949 und sind heute mit über 30.000 Mitgliedern in 30 Ländern aktiv. Vor einem Jahr träumte der deutsche Verband noch von Touren durch das ganze Land, am Ende reichte es nur für eine entlang der ostdeutschen Grenze. Zu wenig Freiwillige, zu wenig Geld.

Hätte Haake nicht gesagt: Wir können das mit meinem privaten Campingbus machen, einem Fiat Ducato Pössl 2Win, Baujahr 2009, wären sie wahrscheinlich nie losgefahren. Der Verband druckte Folien für den Bus, damit der wenigstens ein bisschen offiziell aussieht, organisierte Merchandise (Flaschenöffner, Kugelschreiber, Kondome) und gab dem Projekt einen Namen: Grenzenlos Europäisch.

Weil man mit nur einem Bus pragmatisch denken muss, entschieden sie: Wir müssen dorthin, wo die Wahlbeteiligung niedrig (Bayern, 26 Prozent) und die Zustimmung für rechtspopulistische Parteien hoch ist (In Sachsen liegt die AfD in den Umfragen bei 25 Prozent). Entlang der B 96, fünfzehn Städte, von Greifswald über Zittau bis nach Passau.

Fragt man Hock und Haake, warum sie Europa so mögen, reden beide über das große Ganze, die Stabilität, den Frieden. Beide haben sich gut auf die Reise vorbereitet, haben recherchiert, in welchen Regionen die EU investiert hat. Sie glauben daran, dass die EU im Konkreten gewinnen kann. Auch wenn sie selbst manchmal in Phrasen (“Mein Großvater hat im Krieg noch gegen Frankreich gekämpft, heute kann ich dort studieren.”) oder Postapokalyptik verfallen (“Falls das Ding hier an die Wand gefahren wird, will ich meinen Kindern nicht sagen müssen, ich habe nichts dagegen unternommen.”)

Cottbus ist die sechste Station auf ihrer Reise. Schon jetzt erzählen sie euphorisch von Menschen, die sie berührt, herausgefordert und inspiriert haben. Und von denen sie dem Bundespräsidenten auf jeden Fall erzählen wollen.

“Europa bringt mir doch nichts.”

Straßenbahnfahrer aus Frankfurt (Oder)

In Neubrandenburg trafen sie einen 14-jährigen Jungen, der sich noch immer so über EU-Zustimmung zur Urheberrechtsreform aufregt, dass er fast wöchentlich auf seinem YouTube-Kanal darüber berichtet. Europa, sagt er, muss digitaler werden.

In Frankfurt (Oder) treffen sie einen Straßenbahnfahrer, der ihnen verspricht, über seine Wahlentscheidung (AfD) noch einmal nachzudenken, weil der über deren sozialpolitische Forderungen (Spitzensteuersatz senken) gar nichts wusste. Europa, sagt er, bringt mir doch nichts.

In Cottbus ist auf dem Altmarkt an diesem Tag nicht viel los, der Bus hinter einer Baustelle kaum zu sehen. Um 14 Uhr schreibt Hock, die einen blauen Pullover mit gelben Sternen trägt, “Was ist Europa für dich?” auf Instagram. Sie haben 683 Follower, ziemlich wenig für eine Kampagne, die Europa retten will. Zwei Meter weiter von ihr unterhält sich Haake mit einem Mann Ende 50.

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