/Tilman Bracher: “E-Tretroller werden den Autoverkehr kaum reduzieren”

Tilman Bracher: “E-Tretroller werden den Autoverkehr kaum reduzieren”

Am Freitag hat der Bundesrat einer Verordnung zugestimmt, die elektrisch betriebene Tretroller in Deutschland zulässt. In Großstädten wie Paris, Madrid und San Francisco kann man die sogenannten E-Scooter bereits über eine App spontan ausleihen und überall wieder abstellen. Nach Carsharing, Leihrädern und Ride-Sharing-Diensten wie Moia und Berlkönig ist es das neuste Angebot der Sharing Economy. Nimmt durch diese Alternativen zum Auto der Verkehr in den Städten ab? Tilman Bracher vom Deutschen Institut für Urbanistik bezweifelt das.

ZEIT
ONLINE:
Herr Bracher, Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer
(CSU) sagt, zusammen mit dem ÖPNV seien die E-Tretroller eine
Alternative zum Auto
. Stimmen Sie zu?

Tilman
Bracher:
Nein, E-Tretroller werden den Autoverkehr
kaum reduzieren.
Sie sind ein Zubringer zum öffentlichen Nahverkehr. Wenn sie nicht
da sind, kann man auch mit dem Fahrrad zur U-Bahn-Station fahren oder
zu Fuß gehen.

ZEIT
ONLINE:
Gibt es denn schon Studien, die
das belegen?

Bracher:
Zu Tretrollern noch nicht, die werden
ja in Deutschland jetzt erst eingeführt. Aber wir wissen, wie die
Menschen zum ÖPNV kommen: größtenteils zu Fuß oder mit dem
Fahrrad. Davon wird der E-Tretroller einen gewissen Anteil bekommen.

Tilman Bracher ist Volkswirt und arbeitet am Deutschen Institut für Urbanistik (Difu) in Berlin. Dort leitet er den Bereich Mobilität und forscht unter anderem zur Mobilitätsentwicklung, zum Radverkehr und zum ÖPNV.

Tilman Bracher ist Volkswirt und arbeitet am Deutschen Institut für Urbanistik (Difu) in Berlin. Dort leitet er den Bereich Mobilität und forscht unter anderem zur Mobilitätsentwicklung, zum Radverkehr und zum ÖPNV.
© David Ausserhofer/Difu

ZEIT
ONLINE:
Andere sagen: Wenn wir die
sogenannte letzte Meile zu den Haltestellen bequemer machen, fahren
mehr Leute mit öffentlichen Verkehrsmitteln statt mit dem Auto.

Bracher:
Ob Menschen mit dem Auto fahren, ist sehr stark durch Routinen
geprägt und dadurch, dass man bestimmte Strecken schlecht mit
öffentlichen Verkehrsmitteln bewältigen kann. Daran ändert der
E-Tretroller nichts.

ZEIT
ONLINE:
Wie ist es bei Bikesharing,
reduziert das den Autoverkehr?

Bracher:
Auch das funktioniert eher nicht,
zeigen Studien. Bikesharing
ergänzt den
öffentlichen Verkehr oder schließt eine Lücke, wenn abends
bestimmte Verbindungen nicht mehr angeboten werden. Bikesharing wird
also hauptsächlich für eigenständige Wege genutzt, die Kombination
mit dem öffentlichen Verkehr ist nicht so stark wie wir
das bei Tretrollern erwarten.

ZEIT
ONLINE:
Und wie sieht es bei Carsharing
aus? Ersetzt es das eigene Auto?

Bracher:
Beim Carsharing muss man unterscheiden,
es gibt zwei Typen. Der eine ist das ältere, stationäre Carsharing.
Da wird man Mitglied in einem Verein oder einer Gemeinschaft und
teilt sich ein Auto an einer Station. Solche Angebote können
tatsächlich Autoverkehr reduzieren. Da lässt immer wieder jemand
das eigene Auto stehen, schafft es womöglich sogar ab oder schafft
kein neues an, wenn das alte Auto nicht mehr funktioniert.

ZEIT
ONLINE:
Und der andere Typ Carsharing?

Bracher:
Das sind die flexiblen Systeme, bei
denen man das Auto überall im
Bedienungsgebiet stehen lassen kann, zum
Beispiel Car2Go oder DriveNow. Die bedeuten zusätzlichen Verkehr,
denn die Kunden, die sich dort anmelden, schaffen meist nicht ihr
eigenes Auto ab. Man hat herausgefunden, dass die Zahl der Autos durch dieses Carsharing etwa
um vier Prozent wächst im Vergleich zu vorher.

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