/Neuwahl in Österreich: “Genug ist genug”

Neuwahl in Österreich: “Genug ist genug”

Am Samstagabend hat unerwartet der Wahlkampf in Österreich begonnen. Gut 24 Stunden nachdem das Video aus Ibiza aufgetaucht war, in dem FPÖ-Vizekanzler Heinz-Christian Strache und sein Klubobmann Johann Gudenus einer angeblichen russischen Oligarchin Gegenleistungen für Wahlkampfhilfe in Aussicht stellten, stand Sebastian Kurz in Wien vor der Presse: “Genug ist genug”, sagte er. Die FPÖ schade seinem Reformprojekt und “dem Ansehen unseres Landes”. Damit war klar, was er vorhat. Die umstrittene Koalition zwischen der konservativen ÖVP und der FPÖ ist Geschichte, das Experiment ist gescheitert.

Einfach wollte es Heinz-Christian Strache seinem Regierungspartner nicht machen. Ja, er trete zurück, sagte er am frühen Nachmittag, auch um all jenen, “denen diese erfolgreiche Regierungsarbeit ein Dorn im Auge ist” keinen Vorwand zu liefern, dass sein Fehlverhalten, die Begründung für ein Ende der Regierung sein könne. Seine Äußerungen auf Ibiza seien unter erheblichem Alkoholeinfluss entstanden, eine “bsoffene Gschicht” sei es gewesen und “nüchtern gesehen katastrophal und ausgesprochen peinlich.” Auch Johann Gudenus kündigte – schriftlich – seinen Rücktritt von allen politischen Ämtern an. 

Sebastian Kurz wollte mehr

Die FPÖ wollte weiter regieren, ohne Strache, ohne Gudenus. Doch Sebastian Kurz wollte mehr. Er verlangte auch den Rückzug von Innenminister Herbert Kickl (FPÖ). Die Verhandlungen am Nachmittag müssen zäh gewesen sein. Ursprünglich wollte der Bundeskanzler um 14 Uhr eine Erklärung abgeben. Es zog sich hin bis um kurz vor 20 Uhr.

Der jetzige Innenminister Kickl war lange Jahre Generalsekretär der Partei, er war das Hirn hinter Strache, der Erfinder von Slogans wie “Daham statt Islam” und seit Herbst 2017 der rechte Provokateur in der Regierung. Er verlangte Asylwerber “konzentriert an einem Ort zu halten” und stellte schon mal die Menschenrechtskonvention infrage.

Doch die FPÖ wollte ihren Innenminister nicht opfern. Sebastian Kurz stellte der Partei schließlich den Stuhl vor die Tür. Er habe in den heutigen Gesprächen nicht den Eindruck gewonnen, “dass der Wille da ist, die FPÖ auf allen Ebenen zu verändern”. Das sei aber mehr als nur notwendig.

Auf den Straßen Wiens herrschte schon den ganzen Tag eine Mischung aus bangem Warten und Feierlaune. Als Strache sich für seine Rücktritts-Pressekonferenz bereit machte, fuhren noch die Kutschen ein paar Meter entfernt am Bundeskanzleramt vorbei. Die Polizei hatte sich längst in Stellung gebracht – sie ahnte wohl, was kommen wird. Denn zwei Stunden später durfte keine Pferdekutsche mehr passieren. Die Gewerkschaftsjugend hatte Lautsprecher organisiert, es wurde zu “Schrei nach Liebe” der Ärzte getanzt. Immer mehr Menschen kamen, der Ballhausplatz füllte sich. Trillerpfeifen waren zu hören, Bierdosen wurde gereicht und dazu immer wieder “We’re going to Ibiza” gesungen, der 20 Jahre alte Partyhit der Venga Boys, seit gestern die neue österreichische Anti-Regierungshymne.

FPÖ-Affäre – »Rechtswidrig angelegte, akkordierte Schmutzkübelaktion«
Nach der Veröffentlichung eines belastenden Videos ist Österreichs Vizekanzler Strache zurückgetreten. Den Vorsitz der Partei FPÖ übergibt er an Norbert Hofer.

© Foto: Leonhard Foeger/Reuters

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