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Österreich: Der Videobeweis

Es hätte ein gewöhnlicher Wahlkampfauftritt für Harald Vilimsky werden sollen. An diesem Freitagnachmittag in Innsbruck wollte der FPÖ-Spitzenkandidat zur Europawahl einmal quer durch die Innenstadt schlendern, zwei Stunden lang, schließlich ist Wahlkampf. Alles war vereinbart, Journalisten warteten, Gegendemonstranten auch. Zehn Minuten vor Beginn wurde der Spaziergang abgesagt. Nur seine geplante Abschlussrede auf einer Bühne wolle Vilimsky noch halten – da, wo keine Fragen stören. “Zeitlich habe sich alles verschoben”, hieß es. Da schwirrten aber schon längst Gerüchte durch die Luft, dass eine große Enthüllung bevorstehen könnte.

Vilimsky, EU-Parlamentarier, Spitzenkandidat und Generalsekretär seiner Partei muss zu diesem Zeitpunkt schon gewusst haben, was am frühen Abend über seine Partei hereinbrechen würde. Nur wenige Stunden später, der Politiker war gerade erst mit seiner Rede in Innsbruck fertig, veröffentlichten der Spiegel und die Süddeutsche Zeitung ein Video, das das Potential hat, die österreichische Regierung zu sprengen.

Auf dem Video ist zu sehen und vor allem zu hören, wie der heutige Vizekanzler Heinz-Christian Strache gemeinsam mit Johann Gudenus, damals Wiener Vizebürgermeister und heute Fraktionschef der FPÖ im Parlament, Versprechungen macht, die die beiden mindestens als korrumpierbar erscheinen lassen. Im Juli 2017 haben sie sich demnach auf Ibiza mit Lockvögeln getroffen, darunter eine vermeintliche russische Oligarchennichte, die angeblich eine Viertelmilliarde Euro in Österreich investieren wolle. Straches Reaktion, kurz zusammengefasst: Wenn sie ihm zum Wahlsieg verhelfe und vielleicht sogar die Kronen-Zeitung, Österreichs größtes Boulevardblatt, kurz vor der Wahl übernehmen würde, dann könne man “über alles reden”. Zum Beispiel darüber, ihr später staatliche Bauaufträge zuzuschanzen.

Die Krone ist nicht irgendeine Zeitung

Noch ist vieles unklar. Wer die Falle gestellt hat zum Beispiel, oder ob es weitere Treffen gab. Aber dass die Kronen-Zeitung im Mittelpunkt von Straches Erwägungen steht, ist kein Zufall. Denn sie ist nicht irgendein Blatt.

Auf dem kleinen und stark konzentrierten österreichischen Medienmarkt gibt die Krone den Ton an. In keinem anderen europäischen Land haben Boulevardmedien einen derart großen Einfluss auf die politische Kultur und gesellschaftliche Debatten wie in Österreich. Mit einer Auflage von mehr als 700.000 Exemplaren täglich lässt sie die Konkurrenz weit hinter sich. Sie ist einflussreicher als die Bild in Deutschland oder die Sun in England. Der renommierte Politologe Fritz Plasser beschrieb Österreich als “Boulevarddemokratie”. Darum kämpfen alle Parteien um die Gunst der Krone. Und deshalb werden alle Boulevardblätter durch großzügige Inserate von Parteien, Ministerien und staatsnahen Unternehmen unterstützt.

Heinz-Christian Strache wurde also nicht umsonst hellhörig, als ihm auf Ibiza in Aussicht gestellt wurde, er könne auf die eine oder andere Art eine Kontrolle über die Krone gewinnen. Für ihn und seine Partei wäre es das größte Geschenk vor der Nationalratswahl gewesen.

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