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Großbritannien: Es bringt alles nichts

Es ist bei Weitem nicht das erste Mal, dass die Menschen in Großbritannien diese Schlagzeile lesen. Theresa Mays Tage seien gezählt, schreiben britische Medien derzeit wieder. Jetzt aber wirklich.

Spätestens Ende Juni soll die britische Premierministerin zurücktreten. Das haben sich die Vorsitzenden der konservativen Abgeordneten, das sogenannte 1922-Komitee, so ausgerechnet. Sie darf in der ersten Juni-Woche noch einmal versuchen, ihren Brexit-Plan durch das Parlament zu bringen. Aber egal ob dies klappt oder nicht, sofort danach wird sie mit dem Chef des Ausschusses, Sir Graham Brady, einen Zeitplan vereinbaren müssen, der die Wahl eines neuen Parteivorsitzenden und damit Premierministers in Gang setzt.

Diese Wahl soll etwa drei Wochen dauern, sieht der Plan der Hardliner in der Partei vor. Noch vor der Sommerpause könnte der neue Parteivorsitzende oder die neue Parteivorsitzende im Amt sein und dann einen Brexit-Plan versprechen, aller Voraussicht nach einen Austritt ohne Abkommen, also eine Art No Deal.

Dieses Mal wird es für Theresa May ernst. Die Situation der Konservativen Partei ist prekär, und May kann keinen Ausweg aus der Misere aufzeigen. Die Tories blicken panisch auf den Erfolg von Nigel Farage und seiner Brexit-Partei, die in den Umfragen für die Europawahl vorne liegt. Er hämmert den Leuten ein, dass die politische Elite den Brexit und damit das Volk verraten habe. Die Demokratie funktioniere nicht mehr.

Sie wollen endlich raus

Farage schürt gekonnt die Wut, verkauft sich als kumpelhafter Volksversteher, der den Frust der Leute in politische Macht verwandelt. Dass er früher für ein Freihandelsabkommen mit der EU eintrat, sogar für eine Art Norwegen-Modell, spielt heute keine Rolle mehr. Diejenigen, die für den Brexit sind, wollen jetzt endlich raus aus der EU, also verspricht er ihnen den No Deal.

Jüngsten Umfragen von YouGov zufolge stimmen in Großbritannien bei der EU-Wahl kommende Woche 35 Prozent der Wähler für die Brexit-Partei von Farage, weitere drei Prozent für seine frühere Partei Ukip. Damit würden 38 Prozent der Wähler für einen klaren No Deal stimmen, allein schon aus Protest gegen die Tories. Die Konservative Partei bekommt nur noch neun Prozent der Stimmen, Labour immerhin 15 Prozent. Die Parteien der EU-Anhänger bekommen voraussichtlich zusammen 31 Prozent der Stimmen, 16 Prozent die Liberalen, zehn Prozent die Grünen und fünf Prozent die neue Partei Change UK.

Für die Hardliner unter den Tories kann aus diesem zu erwartenden Desaster nur eines folgen: Die Partei muss nach rechts rücken, sonst werden die Konservativen endgültig durch die Brexit-Partei und von links durch die Liberalen aufgerieben. So schüren sie den Frust gegen May. Sie habe den Brexit nicht, wie angekündigt, am 29. März geliefert. Ihr mit der EU ausgehandelter Austrittsvertrag wird nicht als akzeptabler Brexit angesehen. Dass es sich nur um einen Austrittsvertrag und nicht um den künftigen Freihandelsvertrag handelt, interessiert dabei nicht.

Die Hardliner dringen mittlerweile wie Farage auf einen No Deal, weil im Wahlprogramm 2017 versprochen worden sei, dass Großbritannien die Zollunion und den Binnenmarkt verlassen werde. Im Wahlprogramm wurde aber ebenso gesagt, dass es einen “weichen und geordneten” Brexit geben soll. Doch das will niemand mehr hören.

May sagte auf einer ihrer wohl letzten Kabinettssitzungen: “Die Stimmung ist komplett polarisiert.” Es sei so keine Politik mehr zu machen. In der Tat finden Regierungsgeschäfte kaum noch statt. Seit Wochen kommen keine großen Entscheidungen mehr vor das Parlament, da die Regierung keine Mehrheit mehr hinter sich weiß.

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