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Schiedsrichter: Sie verstehen zu wenig von Fußball

Am Samstag geht es in der Bundesliga um den Titel, doch auch für ein paar Beteiligte, die niemals in ihrer Karriere Pokale in die Höhe stemmen, steht viel auf dem Spiel: die Schiedsrichter. Generell möchten sie nicht im Mittelpunkt stehen, am besten ist es, man redet nicht über sie. Schon gar nicht am letzten Spieltag, wenn letztgültige Entscheidungen anstehen.

Vor dem Ausklang der Saison kursiert in der Bundesliga die Sorge, es könnte anders kommen – und nach dem Abpfiff werden wieder tagelang umstrittene Pfiffe seziert. Sie ist berechtigt, wird sogar von Teilen der Schiedsrichterszene geteilt. Bloß nicht, dass Bayern durch einen fraglichen Videobeweis oder Dortmund durch einen strittigen Elfmeter Meister wird!

Es war erneut kein gutes Jahr für die deutschen Schiris. Im Vorjahr verursachte der neue Videobeweis viele Schlagzeilen. Der klappt immer noch nicht perfekt, doch der große Aufreger der aktuellen Saison ist die Handspielregel, die alle verrückt macht. Vor dem 34. Spieltag sind bereits dreißig Handelfmeter verhängt worden. Der alte Rekord von 1968 stand bei dreiundzwanzig, der Schnitt lag bislang bei unter zwölf pro Saison. Nie zuvor pfiffen die Schiris so viele und so viele falsche Handelfmeter.

Da niemand glaubt, dass Fußballer plötzlich öfter und lieber den Ball mit der Hand spielen als früher, kann diese Häufung nur heißen, dass deutsche Schiedsrichter kleinlicher geworden sind. Für diese bedenkliche Entwicklung gibt es drei Gründe: Die Schiedsrichter wurden lange zu einer solchen Linie angeleitet. Sie scheinen immer weniger von Fußball zu verstehen. Und sie nehmen sich und ihr Regelbuch zu wichtig, weil sie ihre historischen Ursprünge vergessen haben.

Dass etwas grundsätzlich nicht stimmt im Umgang mit Fußballerhänden, merkte man erneut an den vergangenen Spieltagen. Beim Derby Dortmund gegen Schalke vor drei Wochen zeigte Felix Zwayer auf den Punkt, nachdem Julian Weigl vom Ball am Unterarm getroffen wurde. Eine Woche später gab Christian Dingert einen Elfmeter für Hannover 96, nachdem der Ball Jérôme Boateng an dem Arm geflogen war. Ein paar Stunden später verweigerte Marco Fritz den Bremern einen Strafstoß, nachdem dem Dortmunder Mario Götze der Ball an die Hand gesprungen war.

Schiedsrichter unterscheiden sich in Auslegungen mehr als früher

In allen drei Szenen hatten Arm oder Hand tatsächlich den Ball berührt. Doch alle drei Szenen – und es ließen sich viele weitere aufzählen – waren beinahe Schulbeispiele für unabsichtliches, also unstrafbares Handspiel. Boateng drehte sich von der Flanke weg und hatte den Arm praktisch angelegt. Götze rechnete offensichtlich nicht damit, dass der Eckstoß bis zu ihm kommt. Sein Arm hing neben seinem Körper, zudem erlangte er durch das Handspiel nicht mal einen Vorteil. Weigl wurde aus kurzer Distanz angeschossen.

Doch im Ergebnis ergab das bei drei Mal ähnlichen Vergehen, zwei Mal Elfer, ein Mal nicht. Da zeigte sich sogar Lutz Fröhlich “irritiert und enttäuscht”, der Schiedsrichterchef kritisierte “die unterschiedliche Handhabung in vergleichbaren Situationen”. Das ist die erste bedenkliche Tendenz in Handfragen: Die Schiedsrichter unterscheiden sich in ihren Auslegungen viel mehr als früher.

Dies hört man häufig, Zahlen belegen es: In der Offlinetestphase des Videobeweises vor zwei Jahren wurde den Schiedsrichtern Woche für Woche unter anderem Handszenen gezeigt. Sie sollten, jeder für sich, entscheiden, ob Elfmeter oder nicht. Viel häufiger als erwartet endeten die Abstimmungen 14:8 oder 12:10, manchmal auch 11:11. Also alles andere als eindeutig, und das nicht nur bei den wenigen ganz kniffligen Szenen. Man hätte den Ärger also ahnen können.

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