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EUnify Hoodie: Wie cool sind wir denn?

Als Katarina Barley Anfang des Jahres nach der gescheiterten Abstimmung zum Brexit-Abkommen im englischen Parlament vor die Presse trat, wollte sie offenbar ein Zeichen setzen – und dabei Street-Credibility beweisen: Statt Jackett trug die SPD-Spitzenkandidatin für die Europawahl ein blaues Sweatshirt mit EU-Sterne-Logo. “Ein starkes Signal für Europa”, kommentierten mehrere Zeitungen begeistert.

Seitdem trendet der blaue Hoodie. Ein Stern fehlt bei ihm im Rund und ist auf dem Rücken gedruckt – er symbolisiert England und das drohende Auseinanderbrechen der Gemeinschaft. Daneben steht die Telefonnummer der EU-Hotline für Bürger. Hergestellt wird er vom Berliner Label Souvenir Official, seit Neustem gibt es eine komplette EUnify-Kollektion mit Bauchtaschen, T-Shirts und Trainingshosen mit EU-Logo: “Politische Kritik weiterhin inklusive”, schreibt die Vogue. Und in der Welt heißt es geradezu feierlich: “Wer in der Kreativszene was auf sich und sein politisch aufgeklärtes Image hält, der besitzt so einen Pulli”, darunter Prominente wie der Fotograf Juergen Teller, der Kurator und Kunsttheoretiker Hans Ulrich Obrist oder das Spitzenmodel Toni Garrn. Auf sozialen Medien wie Instagram bekennen sich dazu seit Monaten unter dem Hashtag #EUnify zahlreiche meist junge User mit Hoodie zu Europa.

Über so viel coole Europaliebe kann man sich freuen. Oder man stellt die Frage, ob politische Haltung wirklich im Onlineshop mit Overnight-Express zu haben ist? Ob hier nicht die sogenannte Mitte der Gesellschaft ganz schön selbstverliebt in den Spiegel blickt und sich folgenlos an sich selbst berauscht?

Souvenir Official hatte den Pullover ursprünglich im März 2017 in Kooperation mit der Galerie König in Berlin-Mitte entwickelt und in den Handel gebracht – was kein Zufall ist. Erfolgreiche Galeristen und Händler haben längst erkannt, dass der Wert eines Kunstwerks sich heute, wie bei jeder beliebigen Luxusware, oft über den Distinktions- und Schauwert erschließt. Kunst muss genau wie Mode jung, cool und wiedererkennbar sein und so zur Marke taugen. Darum ist es für viele erfolgreiche Galerien auch kein Widerspruch, dass bei ihnen heute eine Ausstellung stattfindet und morgen ein PR-Dinner mit einer großen Sportartikelmarke.

Ein politisches Statement aus diesem Nexus ist mit Vorsicht zu genießen. Denn auch wenn man es sich in Künstlerinnen- und Influencerkreisen gerne einreden möchte und große Marken wie Puma mit sogenannten Aktivistinnen wie der Instagram-Personality Cara Delevingne werben: Engagement beginnt nicht mit der Vernissage oder beim Tragen von Logomode. Dahinter steckt viel Selbstbetrug, Hybris und auch Klassendenken.

Der Europapullover ist eben nicht an den sächsischen AfD-Funktionär oder an den Nichtwähler im Problemkiez gerichtet, er trägt nicht die Spuren des Straßenwahlkampfs oder der Demo gegen rechte Populisten. Er richtet sich an die wissenden Fashionistas im Pop-up-Café, wird von hippen Eltern unter dem offenen Burberry-Mantel auf Spielplätzen in Szenevierteln getragen. Er ist stets makellos, gebügelt und unbefleckt. Ein schön gestaltetes Konsumobjekt, das nur in der Bubble von erkennbarer Bedeutung ist. Selbst der fehlende Stern im Logo ist nur von Eingeweihten entschlüsselbar, ähnlich wie die auf dem Pariser Laufsteg präsentierten DHL-Shirt des Labels Vetements. Herrschaftsfreier Diskurs geht anders.

Das es nun neben dem Pullover für knapp 60 Euro auch Trainingshosen, Caps, Feuerzeuge, Socken und Bauchtaschen mit dem EU-Logo in verschiedenen Farben zu kaufen gibt, zeigt: Es ging nie um dieses eine singuläre, ikonische Objekt, das im Guten die Pace-Flagge und im Schlechten das Make-America-Great-Again-Cap ist. Aus dem Bestseller wird die Kollektion und schließlich gibt es noch das Accessoire dazu. Auch das folgt der Logik der Mode: Sie saugt sich auf mit Bedeutung an der Welt, übersetzt diese in schöne Dinge und vertreibt sie mit ordentlich Krawall und bekannten Models wie Adwoa Aboah über ihre digitalen Kanäle. Wer sich von so einem Produkt ernsthaft ein politisches Statement verspricht, kann auch gleich Sex-Pistols-Pullis bei H&M oder, im gehobenen Segment, das vor zwei Jahren aufgelegte “We should all be feminists”-Shirt von Dior kaufen.

Wer Europa dagegen einen Gefallen tun will, geht wählen und wirbt für offene und liberale Werte auch da, wo es wehtut, nicht nur im eigenen soziokulturellen Reservat. Und der oder die glaubt nicht, dass eine coole Geste Menschen erreicht, für die die Europäische Union keine Utopie ist, sondern erst mal nur ein ferner Ort. Wäre es so einfach, hätte die in T-Shirts mit Che Guevara aufgewachsene Jugend längst die Weltrevolution gemacht.

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