/Sozialismus-Debatte: “Eigentum darf nicht infrage stehen”

Sozialismus-Debatte: “Eigentum darf nicht infrage stehen”

Die Verteilung der Profite muss demokratisch kontrolliert werden. Das schließt aus, dass es einen kapitalistischen Eigentümer dieses Betriebs gibt. Ohne Kollektivierung ist eine Überwindung des Kapitalismus nicht denkbar.

Kevin Kühnert

Jürgen Heraeus: Managergehälter begrenzen

“Ich mache mir keine Sorgen, dass sich Kevin Kühnert mit seinen Forderungen durchsetzt. Was ich aber auch nicht gut finde am System gerade: Der Börsen-Kapitalismus orientiert sich ausschließlich an Kurssteigerungen und an denen, die spekulieren. Die damit einhergehende Vergütung für Manager ist oft nicht akzeptabel. Das sind ja auch keine Unternehmer, das sind Angestellte, die sich teilweise selbst oder gegenseitig kontrollieren. Dass zum Beispiel ein Axel Weber, den ich übrigens sehr schätze, als Verwaltungsratspräsident der Schweizer Bank UBS – nicht als ihr Vorstandschef – fünf Millionen Euro bekommt, das ist Mitarbeitern nicht zu vermitteln und führt zu einer Infragestellung unseres ganzen Systems. Eine gesetzliche Lösung würde da nicht helfen, das hat auch bei den Banken nicht funktioniert. Ich würde mir wünschen, dass die Industrie selbst Richtwerte festlegt, wie viel ein Chef im Vergleich zum Durchschnitt in einem Unternehmen bekommen sollte. Ich würde sagen: Wenn heute jemand in einem kleineren Unternehmen zwei Millionen Euro im Jahr bekommt und in einem größeren fünf Millionen Euro, dann ist das okay. Alles zwischen fünf und zehn Millionen müsste schon gut begründet werden. Darüber würde ich eine Grenze ziehen. Wenn ein Manager dann sagt: ‘Ich habe aber den Börsenwert erhöht’, dann kann man sagen: Hast du ganz gut gemacht.”

Jürgen Heraeus ist Aufsichtsratsvorsitzender des Technologieunternehmens Heraeus, das in Familienhand ist.

Werner M. Bahlsen: Sozialismus bedeutet Unfreiheit

“Wer eine Verstaatlichung von Schlüsselindustrien fordert, stellt den Wohlstand aller Bürger infrage und lähmt die Innovationskraft und Initiative der Bürger. Auch Enteignungen von Wohnungen lösen keine Probleme, schaffen dafür aber eine Vielzahl neuer Schwierigkeiten. Sozialismus bedeutet immer Unfreiheit, Einschränkung von Menschenrechten, Mangel und staatliche Willkür. Die Hälfte der BMW-Aktien befinden sich im Streubesitz – viele davon als Altersvorsorge in den Depots von BMW-Mitarbeitern. Darüber hinaus kann jeder Aktien kaufen, zum Beispiel über Sparpläne, und dadurch über Dividenden und langfristige Kursgewinne von den Gewinnen der Industrie profitieren. Ja: Es gibt Ungerechtigkeiten auch in unserem Land; wir müssen zum Beispiel den Alleinerziehenden besser helfen, damit sie nicht von Altersarmut betroffen sind. Aber nur in einer florierenden Wirtschaft gibt es Möglichkeiten, diese Probleme zu lindern. Gute Unternehmer, die hier ihre Steuern zahlen, tragen zum Gemeinwohl bei. Unser Land kann nicht vom öffentlichen Dienst leben, der leider für immer mehr Politiker und Nachwuchspolitiker der einzige Erfahrungshorizont ist.”

Werner M. Bahlsen ist Vorsitzender des Verwaltungsrats von Bahlsen und Präsident des Wirtschaftsrats der CDU.

Florian Nöll: Mitarbeiter am Unternehmen beteiligen

“Kevin Kühnert unterstreicht mit seinem Vorschlag unfreiwillig die Notwendigkeit von wirtschaftlicher Bildung in unseren Schulen. In Deutschland existieren verschiedene Formen zur ‘Kollektivierung’ von Unternehmen. Insbesondere Start-ups wollen ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter ausdrücklich am Unternehmen beteiligen. Allerdings ist dies in Deutschland, anders als in vielen anderen Ländern, rechtlich so kompliziert, dass Steueranwälte mehr daran verdienen als die Beschäftigten. Wenn die Beteiligung von Mitarbeitern am Unternehmenserfolg Kühnert und der SPD wirklich wichtig ist, müssen sie nur den Koalitionsvertrag umsetzen. Dieser verspricht bereits eine Reform.”

Florian Nöll ist Unternehmer und Vorsitzender des Bundesverbands Deutsche Startups.

Felix Ahlers: Strengere Regeln für schlechte Unternehmen

“Deutschland ist eines der reichsten Länder der Welt. Trotzdem gelingt es nicht, Umweltschutzziele etwa bei CO₂ oder Plastik oder auch bessere Tierwohlstandards zu erreichen. Ein Kollektiv würde Firmen zwar auch nicht besser führen, aber Unternehmer müssen hier mehr Verantwortung übernehmen. Wenn nicht freiwillig, dann durch Gesetzesvorgaben.

Unternehmer können im Übrigen auch nur erfolgreich sein, wenn sie sich vernünftig verhalten. Ich finde es zum Beispiel gut, wenn sich Mitarbeiter an den Firmen beteiligen können, in denen sie arbeiten. Bei Frosta hat jeder Mitarbeiter einmal im Jahr die Möglichkeit, eine bestimmte Menge an Aktien zum halben Kurswert zu kaufen. Inzwischen sind fast 50 Prozent aller Mitarbeiter am Unternehmen beteiligt.”

Felix Ahlers ist Vorstandsvorsitzender und größter Einzelaktionär der Frosta AG in Bremerhaven, einem großen Produzenten von Tiefkühlkost.

Nicole Leibinger-Kammüller: Eigentum darf nicht infrage stehen

“Die Äußerungen des Juso-Vorsitzenden Kevin Kühnert zur Kollektivierung von Unternehmen fallen nicht vom Himmel. Sie setzen auf den Debatten zur Einführung einer Vermögenssteuer, der Neubewertung der Erbschaftssteuer oder jüngst der Enteignung von Wohnungskonzernen auf.

Seit Jahren kann man in öffentlichen Kommentaren ein Kokettieren mit der Infragestellung von Eigentum beobachten. Freilich nie so deutlich artikuliert wie jetzt; freilich nie so hastig wie dankbar mit der Fußnote versehen, dass es doch ‘nur’ um die Anschauungen eines Jungpolitikers gehe und gerade deshalb das Denken in alle nur möglichen Richtungen erlaubt sein müsse. Übrigens nicht nur in Deutschland, sondern auch in vielen Ländern Europas oder in den USA.

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