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Zum Tod von Doris Day: Happy Girl und Schmerzensfrau

Kaum ein weiblicher Hollywoodstar hat so viele Menschen zum Lachen gebracht wie Doris Day. Ihre Filme waren herrliche Schaumschlägereien und Spiele mit Rollenklischees.

13. Mai 2019, 17:14 Uhr

US-Schauspielerin – Doris Day ist tot
Bekannt wurde die US-amerikanische Schauspielerin neben ihren Liebeskomödien auch durch das Lied “Que será, será”. Sie starb am Montag im Alter von 97 Jahren.

Doris Day, so haben wir sie aus ihren Filmen in Erinnerung: mit wohlfrisiertem Blondschopf und geradem Rücken. Mit jenem strahlenden Lächeln, das einem Zähnefletschen glich, mit blitzblauen Augen, aus denen kleine Dolche zu flitzen schienen.

Die 1922 geborene Doris von Kappelhoff, die ihren deutschen Nachnamen durch Day ersetzte, hatte bereits Karriere als Swingsängerin gemacht und mit Bing Crosby, Frank Sinatra und Bob Hope zusammengearbeitet, bevor sie in den Fünfzigern als Schauspielerin das Publikum in Bann zog. Wenige weibliche Hollywoodstars haben so viele Menschen zum Lachen gebracht, wenige haben so viel Kritikerhäme auf sich gezogen. Gerade die “seichten Musikkomödien” unter ihren 39 Kinofilmen laufen bis heute im Fernsehen rauf und runter. Man kann darauf wetten, dass im Begleittext des Programmheftes auch Attribute wie “kernseifig”, “prüde”, “bieder” oder “Bilderbuchhausfrau” auftauchen. Dennoch hingen in den Wohnungen von Freundinnen, die eines reaktionären Gedankengutes völlig unverdächtig waren, Doris-Day-Poster.

Im Jahr 1996 schreibt in der australischen Komödie Liebe und andere Katastrophen eine Filmstudentin ihre Examensarbeit über Day als feministische Vorkämpferin. In einer ganz frühen Erinnerung der Autorin schließlich sitzen gestresste Mütter vor dem Fernseher und lachen am lautesten, wenn Doris Day in ihren Beziehungskomödien vor Wut schnaubt, mit dem Fuß aufstampft und, das konnte sie besonders gut, ihren Frust ganz undamenhaft herausbrüllt.

Hitchcock konnte mit ihr nichts anfangen

Es ist geradezu verblüffend, wie sehr, besonders seit dem Ende ihrer Kinokarriere 1968, die veröffentlichte Meinung über diese heimliche Kultfigur und ihre tatsächliche Beliebtheit auseinanderklafften. Das rührt vielleicht daher, dass die Doris-Day-Verächter bei ihrem Anblick stets nur an das eine – beziehungsweise an dessen Fehlen – dachten. Doris Day war von Beginn ihrer Filmkarriere an keine Sirene oder sinnliche Schlingpflanze wie Liz Taylor, keine niedlich-verletzliche Sexbombe wie Marilyn Monroe. Die schlanke Blonde mit der Barbiefigur und den breiten Schultern taugte weder als Schutzbefohlene eines edlen Ritters – bereits in einer ihrer ersten größeren Rollen als Westernheldin Calamity Jane hatte sie die Hosen an –, noch passte sie in ein melodramatisches Heilige-Hure-Schema.

Das führte schon früh zu Verdruss, wie sich in Der Mann, der zuviel wusste (1956) mit James Stewart zeigte. In Alfred Hitchcocks Krimiklassiker ist sie so reizlos wie nie zuvor und nie danach. Hitchcock, der seine Blondinen mit Vorliebe als geheimnisumwitterte Neurotikerinnen inszenierte, konnte mit dem Energiebündel so wenig anfangen, dass er sie sogar als Sängerin diskreditierte. Als sie zum Showdown laut und hysterisch Que será, será singen muss, wurde ausgerechnet das albernste Lied ihres großen Repertoires zu ihrer Erkennungsmelodie.

Hollywood wusste lange nicht recht, was es mit Doris Day, die seit 1948 unter Vertrag stand, anfangen sollte. Beim Dreh ihrer ersten der bald zum Klassiker gewordenen Doris-Day-Komödien war sie weit über 30, was selbst mit Kameraweichzeichner nicht gänzlich verschleiert werden konnte. In Publikumserfolgen wie Ein Pyjama für zwei oder Bettgeflüster ist nichts, wie es scheint: Die Filme waren camp, bevor das Wort überhaupt erfunden war. Ihr schwuler Traumpartner Rock Hudson spielt einen Frauenhelden, der sich als männliches Zimperlieschen ausgibt, damit sie ihn dazu überreden kann, mit ihr ins Bett zu steigen. Auf dem Weg dorthin wird der Lüstling von der tatkräftigen Selfmadefrau zu Liebe und Ehe dressiert.

Dass die vermeintlich frigide Jungfrau vom Dienst in diesen gefinkelten Scharaden die männliche Erobererrolle übernimmt, haben zumindest Zuschauerinnen schon damals kapiert. Männer sind im Doris-Day-Universum oft Störenfriede, berufliche Konkurrenten oder unzufriedene Gatten, die dem Karrieregirl mit unfairen Tricks oder mit Spott versuchen, in die Parade zu fahren.

Vor allem aber sind diese als Komödien vermarkteten Genderspäße ein auch ästhetisch überzeugendes Plädoyer für Emanzipation, sprich: ein eigenes Bankkonto, und das in den vermeintlich spießigen Fünfzigern. Die Apartments sind so bunt und schick wie heutzutage nur bei Pedro Almodóvar. Ganz zu schweigen von Doris’ Kostümkleidern mit dem jeweils passenden extravaganten Hut, ein modernes Rollenmodell, das richtig gute Laune macht. Ein lustiges Missverständnis ist auch ihr Ruf als frischgeschrubbte Hausfrauenikone, der wohl von der ausgelassenen Komödie Was diese Frau so alles treibt mit James Garner stammt. Darin wird eine Arztgattin als Werbefigur für Seife engagiert und macht dem Familienernährer Konkurrenz, was zu herrlichen Schaumschlägereien führt.

Kopf hoch, keep smiling

Von Mitte der Sechziger an jedoch war die Diva mit dem betonfest toupierten Blondhaar nicht mehr mit dem lässigeren Zeitgeist kompatibel. In kluger Voraussicht lehnte sie 1967 die Mrs.-Robinson-Rolle in Die Reifeprüfung ab. Als manipulative Verführerin war Doris Day, deren Rollencharaktere stets mätzchenfrei und geradeheraus agierten, auch kaum vorstellbar.

Im Leben aber ähnelte die vermeintliche Sauberfrau eher der Bluessängerin Ruth Etting, die sie in einer ihrer wenigen dramatischen Rollen, der oscargekrönten Filmbiografie Love me or leave me (Tyrannische Liebe, 1955) mit James Cagney als mafiosem Ehemann darstellte.

Doris Days privates Unglück ist von ihrem Image denkbar weit entfernt. Mit 13 hatte das Scheidungskind einen Unfall, der ihre Laufbahn als Tänzerin vereitelte und sie als Teenager jahrelang in den Rollstuhl zwang. In ihren vier Ehen wurde sie verprügelt und um ihr Vermögen betrogen. 2004 starb ihr einziger Sohn, ein Popmusikproduzent, an Krebs. Nach dem Aidstod ihres alten Freundes Rock Hudson 1985 hat sie sich gänzlich aus der Öffentlichkeit zurückgezogen. Zuletzt soll die Tierschützerin mit zahlreichen Hunden und Katzen in Carmel an der kalifornischen Küste gelebt haben. Im vergangenen Jahr erschien eine CD mit älteren, unveröffentlichten Songs und stieg sofort in die Top Ten der englischen Hitparade auf. In Erinnerung bleibt die singende Schmerzensfrau als Happy Girl: Kopf hoch, keep smiling, ab und an laut schreien.

Doris Day ist nun im Alter von 97 Jahren gestorben.

Hits: 40

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