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ÖVP: Generation Sebastian

Unter Kanzler Kurz hat sich eine neue Generation von Politikern in der ÖVP etabliert: Ihnen geht es weniger um Inhalte und mehr um Marketing. Der Bürgermeister Fabian Grüneis ist einer von ihnen.

Die Haarfarbe zeigt an, welcher Mensch Fabian Grüneis gerade sein will.
Sind sie braun und zur Seite gegelt, ist er Bürgermeister. Sind sie giftgrün und aufgestellt,
ist er als DJ Greenice in einer Dorfdisco unterwegs. Fabian Grüneis ist ÖVP-Politiker und mit
22 Jahren Österreichs zweitjüngster Bürgermeister, in Oberösterreich der jüngste. Er ist
Vertreter einer neuen Generation von Politikern, die unter Sebastian Kurz in die Volkspartei
eingetreten sind. Visionen sind für sie nebensächlich. Im Vordergrund stehen Ehrgeiz und
Loyalität. Kurz holt seine Jünger und fördert sie. Wer sich an die Regeln hält, dem stehen
viele Türen offen.

Die Geschichte von Fabian Grüneis beginnt dort, wo es nicht viel gibt: in Waizenkirchen. Die Gemeinde in Oberösterreich hat etwas mehr als 3700 Einwohner und gehört zu den strukturschwachen Regionen des Landes. Linz und Wels sind die nächstgelegenen größeren Städte und 30 Minuten Autofahrt entfernt. Grüneis ist hier aufgewachsen und lebt in einem Haus mit seiner Großmutter, die Straße vom Marktplatz runter, gegenüber der Tankstelle.

In Waizenkirchen war der Bürgermeister schon immer schwarz. Schon immer ein Mann. Doch noch nie so jung. Im Gemeindeamt hängen Porträtfotos in Schwarz-Weiß von den Amtsinhabern der Vergangenheit. Männer mit eindrucksvollen Schnurrbärten reihen sich aneinander. Die Bilder enden mit dem Vorgänger von Fabian Grüneis, der bei der vergangenen Wahl im November aus gesundheitlichen Gründen nicht mehr antrat. Irgendwann wird hier das Bild von Fabian Grüneis hängen, wenn auch glatt rasiert.

Der junge Ortsvorsteher stand immer gern in der ersten Reihe: Er spielte den Josef im Krippenspiel, wurde Klassensprecher, machte sich mit 17 Jahren als DJ und Programmierer selbstständig, legte zuerst bei Maturabällen auf, dann in Discos und organisierte schließlich deren Social-Media-Accounts. Nachdem er Klassensprecher wurde, wollte er auch politisch mitreden. In den vielen Gemeinden gibt es neben der Jungen ÖVP (JVP) noch Ableger des Rings Freiheitlicher Jugend, der Sozialistischen Jugend oder der Grünen. In Waizenkirchen gab es nichts davon, als Grüneis sich fragte, wo er hingehöre. Seine Eltern sind nicht politisch aktiv. Die junge FPÖ sei zu rechts, die jungen Grünen seien zu links, bei der jungen SPÖ sei zu viel “Antifa und so”. Er rauche nicht, und gegen Gras sei er sowieso.

Als er die JVP kennenlernte, fühlte er sich gleich wohl. 2014 gründete er einen Ableger in Waizenkirchen. Damals war Sebastian Kurz bereits Außenminister und wurde gerade zum politischen Überflieger. Für Grüneis hat er “die junge Politik salonfähig gemacht”. Kurz startete eine neue Ära der ÖVP. Newcomer wie Grüneis sind ihr Gesicht.

Sebastian Kurz, der selbst lange Jahre JVP-Obmann war, kümmerte sich intensiv um die Jugendpartei
(ZEIT
Nr. 6/17)
. Er hat sie zu einem neuen, starken Netzwerk ausgebaut. Aus dieser JVP-Generation kommt etwa die heute 24-jährige Claudia Plakolm, die 2017 als jüngste Nationalratsabgeordnete der ÖVP ins Parlament einzog. “Früher waren die Jugendorganisationen von Parteien eine Art Ersatzbank. Die Jungen durften erst nachrücken, wenn die Alten gingen”, sagt sie. Heute sei die JVP der wichtigste Bund in der Volkspartei, weil sie das Reservoir für den politischen Nachwuchs ist. Auch der 26-jährige Severin Mair, Bürgermeister in der nur 15 Kilometer von Waizenkrichen entfernten Bezirkshauptstadt Eferding, ist Teil des Netzwerks. Der Jus-Student ist schon seit drei Jahren im Amt, auch er gründete die JVP im Ort, auch er wurde anschließend Bürgermeister, auch er sieht in Kurz sein Vorbild.

Dort, wo wenig los ist, rekrutiert die ÖVP seit Jahren neue Gesichter. Meist in Verbindung mit Party und Alkohol. Grüneis organisierte in Waizenkirchen für die Partei eine Schaumparty im Wasserschloss Weidenholz. Um mal was anderes zu machen als ein Zeltfest, wie er sagt.

Fabian Grüneis stieg rasch auf, wurde erst Bezirksobmann, dann Gemeinderat. Bei der Nationalratswahl 2017 erreichte er fast 1000 Vorzugsstimmen. Als seine Partei im Frühling 2018 einen Bürgermeisterkandidaten suchte, bot er sich selbst an – unter der Bedingung, seinem Hobby, Discos zu beschallen, treu bleiben zu dürfen. Er plant gerade, seine erste Single zu veröffentlichen. DJ Greenice greift zu elektronischen Sounds, steht in den Dorfdiscos auf der Bühne und schreit in das Mikro: “Habt ihr gute Laune? Habt ihr Lust zu feiern?” oder “Let’s get crazy,
jetzt ist es Zeit zu eskalieren”.

Bei der Bürgermeisterwahl trat er gegen ältere und bekanntere Gegenkandidaten von den Grünen und der FPÖ an. Damit ihn die Leute kennenlernen konnten, nahm er sich vor, jeden Haushalt in Waizenkirchen persönlich zu besuchen. Gerade die älteren Bewohner im Ort hätten ihn offen empfangen, erzählt er. Meist sei er hereingebeten worden, bekam Kaffee und Kuchen, Jause und G’spritzten.

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