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US-Präsidentschaftswahl: Vorglühen der Demokraten

Selten stand so viel auf dem Spiel. Noch 18 Monate bis zur
Präsidentschaftswahl in den USA, und den Demokraten sitzt schon jetzt die Angst im Nacken,
erneut zu verlieren, schuld zu sein an dem, was sich bis vor Kurzem noch keiner vorstellen
konnte: vier weitere Jahre für Donald Trump.

Dabei stehen die Chancen für den Wahlsieg eines Demokraten derzeit gar nicht so schlecht. Trotz guter Wirtschaftsdaten liegen Trumps Zustimmungswerte bei bescheidenen 42 Prozent.

Doch der Vorwahlkampf trägt nicht eben zur Beruhigung der Nerven bei: Mit aktuell 21 demokratischen Bewerbern ist das Feld so unübersichtlich, dass sich kaum noch einer alle Namen merken kann. Warum so viele?

Zum einen ist eine Kandidatur eine hervorragende Werbeplattform für unbekanntere Politiker, die sich einen Namen machen wollen. Zum anderen war das Spektrum in der Demokratischen Partei selten so breit gefächert: ein wachsender, vielfältiger linker Flügel steht den moderaten Fraktionen gegenüber. Der Graben zog sich schon durch die demokratischen Vorwahlen 2016. Jetzt könnte ein Richtungskampf der Partei massiv schaden – vor allem dann, wenn es im Juni zu den ersten Fernsehdebatten zwischen den demokratischen Bewerbern kommt.

Vorerst aber geht es um Sympathiewerte, um große Gefühle und die Frage, mit welchem Kandidaten man gern mal einen Abend verbringen würde. Deswegen erinnert der Vorwahlkampf dieser Tage weniger an eine politische Auseinandersetzung als an einen Balzwettbewerb. Die Bewerber schmeicheln, buhlen um Aufmerksamkeit, erzählen Familiengeschichten, geben sich abwechselnd heroisch und verwundbar. Fünf haben sich derzeit von der Konkurrenz abgesetzt – jeder und jede mit einer ganz eigenen Rolle romantischer Helden und Heldinnen.

1. Der Retter alter Schule

US-Präsidentschaftswahl: Joe Biden

Joe Biden
© Eric Thayer/The New York Times/laif

Joe Biden, einst Barack Obamas Vizepräsident, liegt in den Umfragen momentan vorn. Er profitiert von seinem Bekannheitsgrad und von seiner Inszenierung als erfahrener Retter in letzter Not. Seine Botschaft an die Demokraten lautet: “Ich bin der Einzige, der euch vor weiteren vier Jahren Trump bewahren kann.” Tatsächlich findet Biden gerade bei denjenigen Demokraten Zuspruch, die beim letzten Mal Trump gewählt haben. Wie sie ist Biden weiß, männlich und gemäßigt in seinen politischen Positionen. Er stammt aus Scranton, einer Arbeiterstadt im Bundesstaat Pennsylvania, und kann wie viele der “Trump-Demokraten” von ökonomischen Tiefschlägen in der Geschichte seiner Familie erzählen. Er ist ein lockerer, warmherziger Redner, der im Unterschied zu den meisten seiner Mitbewerber die leisen Töne am besten beherrscht. Mit der Wut Donald Trumps oder dem Enthusiasmus eines Bernie Sanders kann Biden es nicht aufnehmen. Versucht er es doch, verhaspelt er sich leicht bei seinen Auftritten. Spricht er aber über seinen 2015 an einem Tumor verstorbenen Sohn, über die Arbeitslosigkeit seines Vaters, eines Autoverkäufers, oder über die Würde des amerikanischen Arbeiters, bekommen viele im Publikum Gänsehaut und zerdrücken ein paar Tränen. Biden schart die politisch und wirtschaftlich Erschöpften um sich. Biden ist ein Verführer der alten Schule. Dazu gehört allerdings auch, dass er gern ungefragt Frauen in den Arm nimmt. Einige von Bidens weißen, männlichen Anhängern dürften das für einen sympathischen Hang zur
political incorrectness
halten. Entscheidend wird sein, ob ihm sein Image als “reifer Retter” auch genügend Punkte bei der jungen linken Generation einbringt.

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2. Der Revoluzzer

US-Präsidentschaftswahl: Bernie Sanders

Bernie Sanders
© Nima Taradji/Polaris/laif

Die jungen Linken versammeln sich bis auf Weiteres hinter dem Zweitplatzierten in den Umfragen, Bernie Sanders. Denn er ist der Einzige im Bewerberfeld, der mit echter Revolutionsromantik wirbt. Er will die Reichen zur Kasse bitten, Kompromisse lehnt er ab, und sein großer Gegner ist weniger Trump als die wirtschaftliche und politische Elite. Und das schließt auch in diesem Wahlkampf wieder das demokratische Establishment mit ein. Die Partei hatte sich schon im Vorwahlkampf 2016 mit fast allen Mitteln schützend vor Hillary Clinton gestellt. Im Feld der Bewerber ist Sanders damit der Einzige, der jetzt schon gegen andere Parteiflügel austeilt. “Wir werden angegriffen” lautete die Überschrift einer seiner Massenmails zum Spendensammeln. Sanders meinte damit den größten demokratischen Thinktank in Washington, das Center of American Progress, das Stimmung gegen seine Vorschläge zur Gesundheitspolitik macht. Bei Sanders’ jungen Anhängern kommt sein Ton gut an. Denn sie ziehen nicht nur gegen Trump ins Feld, sondern auch gegen den neoliberalen Pragmatismus der Demokraten, der in ihren Augen Trump überhaupt erst möglich gemacht hat. Über 18 Millionen Dollar an Spenden hat Sanders mit dieser Strategie in den ersten drei Monaten eingenommen. Mehr als jeder andere Kandidat. Der Tonfall ist aber gleichzeitig auch erstaunlich aggressiv in einer Zeit, in der sich viele Wähler nach nichts mehr sehnen als nach Mäßigung und Versöhnlichkeit.

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3. Die neue Hillary

Kamala Harris
© Elijah Nouvelage/Redux/laif

Sie will beides spielen – die Rolle der Retterin der Partei und der linken Hoffnungsträgerin: Kamala Harris, Senatorin aus Kalifornien. Die Retter-Pose fällt bei der 54-jährigen ehemaligen Generalstaatsanwältin allerdings etwas spröder aus als bei Joe Biden. Sie wirbt vor allem damit, Trump mit Disziplin und Kompetenz zu bekämpfen. Und ihr linkes Angebot zielt weniger auf soziale Gerechtigkeit als auf Identitätspolitik – und damit ihre eigene Biografie. Harris ist die Tochter einer indischen Mutter und eines jamaikanischen Vaters. Dass ihr Wahlkampfteam zu einem großen Teil aus ehemaligen Beratern Hillary Clintons besteht, ist kein Zufall. Wie Clinton versucht Harris, es allen recht zu machen, und kommt so als geschliffene Profi-Politikerin daher. Das klingt nicht originell. Nach vier Jahren Trump könnte Harris damit allerdings mehr Erfolg haben als Clinton nach acht Jahren Obama.
“Leadership”
und
“strong”
zählen zu ihren Lieblingswörtern, wenn sie sich selbst beschreibt. Denn laut Umfragen wollen die Wähler vor allem einen Kandidaten, der es mit Trumps Aggressivität aufnehmen kann. Auch beim Werben um wichtige Zielgruppen geht sie überlegt vor. Ihr erster politischer Vorschlag lautet: höhere Gehälter für Lehrer. Die Lehrer sind in der größten Gewerkschaft der USA zusammengeschlossen, und wer diesen großen Wählerblock für sich gewinnen kann, steht im Kandidatenfeld ziemlich gut da.

Nationale Bekanntheit erlangte Harris 2016 in ihrem ersten Jahr als Senatorin bei der Anhörung von Trumps damaligem Justizminister Jeff Sessions im Rechtsausschuss. Mit ihrer aggressiven Verhörtaktik brachte sie Sessions, der sich zu seinen Russlandkontakten erklären sollte, aus der Ruhe. Kürzlich brachte ihr eine ähnlich präzise Befragung von Sessions’ Nachfolger William Barr über seine Zusammenarbeit mit Trump erneut viel Aufmerksamkeit. Harris ist der Liebling der Großspender und hat bislang bereits zwölf Millionen Dollar eingesammelt.

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4. Die sympathische Streberin

Elizabeth Warren
© John Tully/The New York Times/laif

Elizabeth Warren, die Senatorin aus Massachusetts, ist die zweite Frau, die bislang aus dem Bewerberfeld heraussticht. Inhaltlich übt sie wie Sanders harte Kritik an sozialer Ungleichheit, stilistisch tut sie das wie die Harvard-Professorin, die sie lange Jahre war: mit zahlreichen konkreten politischen Plänen. Sie hat einen Gesetzesentwurf für das Aufbrechen von Technologie-Monopolen, einen für den Erlass von Studentenkrediten. Sie hat einen Vorschlag für staatlich unterstütze Kinderbetreuung und einen für eine “Ultra-Reichen-Steuer”. “Warren hat einen Plan dafür” ist zum Schlachtruf ihrer Kampagne geworden. Sie setzt in dieser Wahl ganz auf den Charme des
“nerd”,
der Streberin. Kurzfristig hat sie das in einer Umfrage auf Platz drei des Kandidatenfeldes katapultiert. Ihr Problem ist jedoch, dass der zierlich wirkenden 69-Jährigen viele Amerikaner nicht zutrauen, gegen Trump gewinnen zu können. Der hatte sie schon einmal im Visier. Ihr verunglückter Versuch, 2018 mit einem DNA-Test ihre Abstammung vom Volk der Cherokee nachzuweisen, brachte ihr in der Öffentlichkeit reichlich Kritik ein. Trump verspottete sie als “Pocahontas”. Im Einsammeln von Spendengeldern hinkt Warren weit hinter den anderen Kandidaten her.

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5. Der Neue mit dem Kennedy-Charme

US-Präsidentschaftswahl: Peter Buttigieg

Peter Buttigieg
© Elijah Nouvelage/Redux/laif

Peter Buttigieg ist der Neue im Kandidatenrennen. Nicht nur weil er immer noch jedem erklären muss, wie sein maltesischer Nachname ausgesprochen wird: Buudidschidsch. Der 37-jährige Bürgermeister der Kleinstadt South Bent im konservativen Bundesstaat Indiana ist schwul, verheiratet, religiös. Er beherrscht acht Sprachen, hat in Harvard und Oxford studiert, bei McKinsey gearbeitet und ist Afghanistanveteran. Buttigieg ist eine Figur, wie sie sich eigentlich nur ein Drehbuchschreiber ausdenken kann. Den bisherigen Liebling der Medien, den jungen Texaner Beto O’Rourke, hat Buttigieg bereits auf die hinteren Ränge verdrängt.

Dabei war er bis Mitte März auf nationaler Ebene nahezu unbekannt. Dann trat er in einer landesweit ausgestrahlten CNN-Town-Hall-Sendung auf – eloquent, charmant, bescheiden, jungenhaft. Er sprach über künstliche Intelligenz und die Verwertung von Daten im Internet, Themen, über die man in Washington selten etwas hört, die aber das Leben seiner Generation maßgeblich bestimmen werden. Was er sagte, war am Ende gar nicht mehr so wichtig. Sein Charisma war entscheidend – und der Hauch eines Kennedy-Moments.

Nach der Sendung setzte ein Spendenregen ein. Das
Time-Magazin hob ihn auf seine Titelseite, Einladungen in Talkshows folgten. Mittlerweile zählt Buttigieg zu den Kandidaten mit dem größten Spendenaufkommen. Angriffe von Schwulengegnern delegiert er souverän an eine höhere Macht: “Wenn euch nicht gefällt, wie ich bin, dann beschwert euch bei meinem Schöpfer.” Am 19. Mai wird er der zweite demokratische Kandidat nach Bernie Sanders sein, der in einer Fox-News-Town-Hall auftritt, um Fragen von konservativen Wählern zu beantworten. In Iowa, dem Staat, in dem im Februar 2020 die Vorwahlen beginnen, liegt Buttigieg laut einer Umfrage hinter Biden gemeinsam mit Sanders auf Platz zwei. Aber bis zum Parteitag der Demokraten sind es noch 14 Monate. Genug Zeit, um das Feld durcheinanderzuwirbeln.

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