/Leon Draisaitl: Der Eis-Nowitzki

Leon Draisaitl: Der Eis-Nowitzki

Es dauert gerade mal 18 Minuten, ehe Leon Draisaitl im WM-Test gegen Österreich seine Klasse zeigt. Da bekommt der 23-Jährige die Scheibe, legt sich den Puck sechs Meter vor dem Tor ein paar Mal von rechts nach links und zurück, ehe er aus dem Handgelenk ins rechte untere Eck abzieht – 1:0. Zwei Tore gelingen dem NHL-Profi bei der 2:3-Niederlage, sein erster Einsatz mit dem DEB-Team vor der Eishockey-Weltmeisterschaft, die vom 10. bis 26. Mai in der Slowakei stattfindet.

Zwei Tage später trifft die Mannschaft von Bundestrainer Toni Söderholm erneut auf die Ösis. Diesmal spielt Draisaitl sogar noch besser: Er erzielt drei Treffer, darunter eine spektakuläre Direktabnahme aus der Luft, ein Tor bereitet er vor. Wenn er am Puck ist, geht ein Raunen durch die Halle in Deggendorf. Das DEB-Team gewinnt 5:1 – und blickt trotz durchwachsener Vorbereitung optimistisch auf den WM-Auftakt gegen Großbritannien (Samstag, 16.15 Uhr).

Die Chancen auf ein starkes Turnier sind durch Draisaitls Zusage gestiegen. Bei den Edmonton Oilers knackte er als erst sechster NHL-Profi in den vergangenen zehn Jahren die 50-Tore-Schallmauer und legte 55 Treffer auf. Beides sind neue Saisonbestwerte für einen Deutschen. Der alte Rekordhalter war: Leon Draisaitl. Macht der Kölner (312 Scorerpunkte) so weiter, dürfte er Marco Sturm (487) schon 2020/21 übertroffen haben – mit nur 26 Jahren. In den großen US-Sportligen kann einzig Dirk Nowitzki eine individuell herausragendere Spielzeit eines deutschen Athleten vorweisen. Der große Blonde wurde 2006/2007 zum wertvollsten Spieler der NBA gewählt, zweimal landete er unter den ersten Drei.

“Besser als Gretzky”

Auch Draisaitl wird schon mit den Größten seiner Zunft verglichen. Zum elitärem 50-Tore-Club gehören auch Alexander Owetschkin von den Washington Capitals und Sidney Crosby von den Pittsburgh Penguins. Die prägenden Superstars der vergangenen Dekade. Der letzte Oilers-Profi mit 50 Treffern war Wayne Gretzky, Spitzname “The Great One”. 32 Jahre liegt das zurück.

Gretzky gewann mit den Kanadiern viermal den Stanley Cup und gilt als bester Eishockeyspieler aller Zeiten. Schon vor einigen Jahren orakelte Ex-Bundestrainer Pat Cortina. “Vielleicht wird Leon auch besser als Gretzky.” Das grenzte fast an Gotteslästerung.

Draisaitls individuelle Klasse übersetzt sich anders als bei Gretzky bisher nicht in Teamerfolge. Mit den Oilers und dem Co-Star Connor McDavid verpasste er zum vierten Mal in fünf Jahren die Playoffs. Deswegen kann er überhaupt bei seiner fünften Weltmeisterschaft die Schlittschuhe schnüren. Beim deutschen Olympia-Silber 2018 stand er nicht auf dem Eis, weil die NHL-Funktionäre ihre Saison nicht unterbrechen wollten.

Elf Helden von Pyeongchang stehen aktuell im Kader, darunter Kapitän Moritz Müller (Kölner Haie), Patrick Hager (EHC Red Bull München) und Dominik Kahun (Chicago Blackhawks). Mit Draisaitl und Korbinian Holzer (Anaheim Ducks) sind zwei weitere Amerika-Legionäre dabei. Nur: Die anderen Teams können ebenfalls auf viele ihrer Übersee-Stars zurückgreifen. Russland tritt mit Alex Owetschkin und dem NHL-Topscorer Nikita Kutscherow an, die USA haben Patrick Kane und Johnny Gaudreau im Kader. Die deutsche Offensive besitzt große Qualität, aber gerade in der Verteidigung klafften in der Vorbereitung viele Lücken. Ohne ein kompaktes und geschlossenes Auftreten wird es schwer.

Hits: 12